Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs zur Bewilligung von Opferentschädigung
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Gewährung von Opferentschädigung nach § 1 OEG hat u. a. zur Voraussetzung, dass der geltend gemachte Angriff i. S. des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG im Vollbeweis bewiesen ist.
2. Stehen dem Antragsteller keine unmittelbaren Beweismittel zum Nachweis des behaupteten Sachverhalts zur Verfügung, so genügen hinsichtlich des schädigenden Vorgangs gemäß § 15 S. 1 KOVVfG die Angaben des Geschädigten, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen und Unterlagen nicht zu beschaffen sind. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit.
3. Die reine Möglichkeit ist für eine Glaubhaftmachung nicht ausreichend.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.11.2019 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Versorgung nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) i.V.m. denjenigen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Er wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 22.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2017.
Der Kläger wurde 1953 geboren. Im Jahr 1958 siedelte seine Familie nach W um. Zunächst lebte der Kläger dort allein mit seinen Eltern. Von 1961 bis 1966 lebte auch seine Halbschwester J T im Haushalt. Sein Vater verstarb im Jahr 1967, seine Mutter im Jahr 2013.
Mit seinem am 31.01.2013 bei dem Beklagten eingegangenen Antrag machte der Kläger Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend. Er trug vor, er habe seine Mutter im Alter von elf Jahren beim Versuch des Ehebruchs ertappt und seinem Vater hiervon berichtet. Hierauf habe seine Mutter ihn halb tot geprügelt und hierdurch seine neurotische Entwicklung verursacht. Er führte ferner aus, dies sei ihm erst weit nach Abschluss einer 160 Stunden umfassenden analytischen Psychotherapie wieder bewusst geworden, da seine Mutter ihm die Erinnerung durch brutale Misshandlung genommen habe. Als Zeugen für den Ehestreit der Eltern benannte er seine beiden Halbschwestern. Auf den weiteren Gang des Verwaltungsverfahrens wird Bezug genommen. Mit Bescheid vom 22.11.2013 lehnte der Beklagten den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er im Kern aus, die schädigenden Vorgänge seien weder nachgewiesen noch hinreichend glaubhaft gemacht. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Erinnerungen des Klägers durch die durchgeführte psychoanalytische Therapie beeinflusst worden seien. Mit Schreiben vom 15.09.2014 übersandte der Beklagte seinen Ablehnungsbescheid abermals an den Kläger, nachdem dieser mitgeteilt hatte, diesen nicht erhalten zu haben.
Mit Schreiben vom 30.09.2014 legte der Kläger Widerspruch ein und verwies auf ein im Rahmen eines Verfahrens über die Feststellung einer Schwerbehinderung eingeholtes Gutachten des Arztes für Psychiatrie u.a. Dr. med. H (K), auf dessen Inhalt verwiesen wird. Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens reichte der Kläger eine Stellungnahme seiner Halbschwester J T zu den Akten. Sie führte aus, in der Zeit von 1961 - 1966 im elterlichen Haushalt gelebt zu haben. Die Mutter habe die Kinder durch Schläge und Ohrfeigen bestraft. Sie habe durch ihre Berufstätigkeit nicht mitbekommen, was sich zu Hause tagsüber ereignete, könne sich aber gut vorstellen, dass der Kläger schwere Prügel bekommen habe. In seiner persönlichen Befragung durch den Beklagten am 18.05.2015 schilderte der Kläger u.a., er sei im Nachgang des geschilderten Ehestreits mehrfach in seinem Zimmer von seiner Mutter massivst mit einer Peitsche verprügelt worden. Sie habe zudem an seinen Genitalien gezogen und gezerrt. Seine Erinnerung sei erst 2013 nach dem Tod seiner Mutter zurückgekommen. Er habe sich immer gefragt, woher seine Wut auf sich selber komme und das Gefühl gehabt, die Ursache liege in der Kindheit. Auf den weiteren Gang des Verwaltungsverfahrens wird verwiesen. Der Beklagte beauftragte schließlich die Dipl.-Psych. K. O, Institut für forensische Aussagepsychologie, mit einer aussagepsychologischen Würdigung der Angaben des Klägers. In ihrem Gutachten vom 10.11.2017 gelangte die Gutachterin zu dem Ergebnis, dass der Erlebnishypothese nicht als wahrscheinlichste Hypothese angesehen werden könne. Im Vordergrund stehe vielmehr die Hypothese, dass der Kläger in seiner analytischen Psychotherapie suggestiven Einflüssen ausgesetzt gewesen sei, die ihn zu einer aktiven Suche nach einer angeblich verschütteten traumatischen Erfahrung angeregt hätten. Per Widerspruchsbescheid vom 30.11.2017 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Wiederholung und Vertiefung seines bereits zuvor vertretenen Standpunktes als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 28....