Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Auferlegung von Kosten des Widerspruchsverfahrens auf den Widerspruchsgegner - Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts
Orientierungssatz
1. Dem Antragsgegner sind die Kosten des Widerspruchsverfahrens nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB 10 aufzuerlegen, wenn der Widerspruch erfolgreich war.
2. Die hierzu erforderliche Kausalität zwischen Widerspruch und Erfolg kann verneint werden, wenn der Widerspruchsführer seinen Mitwirkungspflichten erst im Verwaltungsverfahren nachkommt. Füllt der Antragsteller ein Antragsformular wahrheitsgemäß und vollständig aus, so genügt er seiner Obliegenheit nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 1. Führt in einem solchen Fall erst das Widerspruchsverfahren zur Abhilfe, so sind dem Widerspruchsgegner die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen.
3. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist nach § 63 Abs. 2 SGB 10 bei schwierigen Sach- und Rechtsfragen erforderlich.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.08.2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Kostenübernahme für ein Widerspruchsverfahren sowie zur Bestimmung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in diesem Widerspruchsverfahren.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger bezog jedenfalls zwischen 2018 und 2021 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er bewohnt eine Wohnung in der C.-straße in U.-M.. Der Kläger erklärte am 02.04.2018 in der vom Beklagten formularmäßig bereitgestellten "Anlage KdU", die sowohl für die Positionen "Heizung" als auch "Warmwasser" die Energiequellen Strom und Gas als separat anzukreuzende Auswahlmöglichkeiten vorsieht, seine Wohnung mit Gas zu beheizen. Die Warmwassererzeugung erfolgt gemäß dieser Erklärung dezentral und ebenfalls mit Gas. Aus dem zur Verwaltungsakte gereichten Mietvertrag des Klägers geht hervor, dass die Wohnung über eine Vaillant-Gastherme verfügt. Die Abrechnung für Gas erfolgt seitens der vom Kläger ebenfalls vorgelegten Rechnung der Stadtwerke U. direkt gegenüber dem Kläger und nicht über den Vermieter. In einer "Anlage KdU" zum Weiterbewilligungsantrag vom 12.06.2018 wiederholte der Kläger seine Angaben und erklärte darüber hinaus, nicht mit einer Zentralheizung, sondern mit einem Einzelofen zu heizen.
Am 29.04.2019 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen. Eine neuerliche Abfrage zu den Bedarfen des Klägers für Unterkunft und Heizung erfolgte in diesem Zusammenhang nicht. Mit Bescheid vom 07.05.2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 01.06.2019 bis zum 31.05.2020. Er berücksichtigte hierbei die Heizkosten des Klägers in Höhe der vom Kläger an die Stadtwerke zu zahlenden Abschläge für Gas, jedoch keine Kosten für Zündstrom. Änderungsbescheide ergingen am 09.10.2019, 11.11.2019, 23.11.2019 und am 13.12.2019. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 14.01.2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen von Februar 2020 bis Mai 2020 unter Berücksichtigung eines aktualisierten Heizkostenabschlages.
Am 10.02.2020 legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.01.2020 ein. Seine Wohnung habe eine Gasetagenheizung. Da sein Gasboiler elektrisch betrieben werde, sei "die übliche Heizstrompauschale" zu berücksichtigen. Eine gesonderte Erfassung des für die Warmwasseraufbereitung benötigten Stroms gebe es nicht, vielmehr erfolge die Abrechnung zusammen mit dem Haushaltsstrom. Der Beklagte forderte mit Schreiben vom 15.04.2020 vom Kläger Informationen an, insbesondere, über welchen Zähler der Stromverbrauch für die Gastherme erfasst werde, ob die entsprechenden Stromkosten über die Betriebskosten abgerechnet würden und wie viel Strom die Gastherme durchschnittlich verbrauche. Der Kläger legte dem Beklagten am 04.05.2020 ein Schreiben seines Vermieters vom 29.04.2020 vor, wonach für die Heizung kein gesonderter Zähler existiert und die Kosten nicht im Rahmen der Betriebskosten über den Allgemeinstrom abgerechnet werden.
Mit Bescheid vom 05.05.2020, überschrieben mit "Widerspruchsverfahren des Herrn Z. I." änderte der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 14.01.2020 ab und berücksichtigte zugunsten des Klägers ab dem 01.01.2020 eine monatliche Strompauschale i.H.v. 6,35 EUR (5 % des monatlichen Heizkostenabschlages i.H.v. 127 EUR). In der Begründung des Bescheides verweist der Beklagte darauf, dem Widerspruch des Klägers sei damit in vollem Umfang entsprochen. Kosten für das Widerspruchsverfahren seien nicht zu erstatten, denn der Bedarf für Heizstrom sei erstmals in diesem Verfahren vorgetragen worden. Eine Berücksichtigung im Ausgangsbescheid sei nicht möglich gewesen. Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 06.05.2020 setzte der Beklagte die Änderung für April 2020 und Mai 2020, mit weiterem ...