Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsnachforderung. ausländischer Arbeitgeber. Beitragsschuldner. Beschäftigter. keine analoge Anwendung des § 28p Abs 1 S 5 SGB 4
Orientierungssatz
1. Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige, zu dem ein anderer - der Beschäftigte - in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach § 7 Abs 1 S 1 SGB 4 ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
2. § 28p Abs 1 S 5 SGB 4 kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass diese Vorschrift zum Erlass eines Beitragsbescheides durch den Rentenversicherungsträger gegenüber dem Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags auch dann berechtigt, wenn es sich dabei um den Beschäftigten selbst handelt.
3. Die im SGB 4 vorhandenen Regelungen zur Kompetenzverteilung zwischen Einzugsstellen und prüfenden Rentenversicherungsträgern sind - nicht zuletzt vor dem historischen Hintergrund der Übertragung der Arbeitgeberprüfungen auf die Rentenversicherungsträger - abschließend.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.03.2012 geändert. Der Bescheid vom 21.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 07.05.2010 wird aufgehoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist die Nachforderung von Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung Sozialversicherung i.H.v. 11.645,62 EUR für den Zeitraum vom 1.3.2008 bis zum 31.5.2009, in dem der Kläger freiwillig krankenversichert und auf dieser Grundlage in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert war.
Der Kläger war im Streitzeitraum bei der T Service AG, Team N, als Servicetechniker beschäftigt. Das Unternehmen hat seinen Geschäftssitz in der Schweiz, der Kläger wird jedoch in Deutschland eingesetzt. In seinem Anstellungsvertrag heißt es unter Ziffer 4:
"Das Salär beträgt Euro 2.800,00 x 13. Alle gesetzlich vorgeschriebenen Steuern, Versicherungen, Prämien usw. sind selbständig durch den Mitarbeitenden gegenüber dem Wohnsitzstaat zu erfüllen. (Sozialversicherungen, Steuern, Arbeitslosenversicherung, Krankenkasse, Rentenversicherung). Die T AG bezahlt monatlich an diese Sozialversicherungen durchschnittlich (Basis: Techniker Krankenkasse Deutschland, Stand 1.1.2008): Rentenversicherung 9,95 % Krankenversicherung 6,95 % Pflegeversicherung 0,85 % Arbeitslosenkasse 1,65 %. Der Mitarbeitende hat die entsprechenden Belege der Personalabteilung der T AG in U vorzulegen."
Unter dem 29.1.2009 wandte sich die Beklagte an den Kläger und wies darauf hin, dass sie mindestens alle vier Jahre verpflichtet sei, bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihre Pflichten nach dem Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) erfüllen. Grundsätzlich habe der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Wenn der Arbeitgeber jedoch ein ausländischer Staat, eine über- oder zwischenstaatliche Organisation oder eine Person sei, die nicht der inländischen Gerichtsbarkeit unterstehe und ihre Zahlungspflicht nicht erfülle, habe der Beschäftigte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Der Kläger sei seit dem 1.3.2008 bei der in der Schweiz ansässigen Firma T AG als Servicetechniker beschäftigt. Zur Überprüfung, ob die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß abgeführt wurden, müsse der Kläger seinen Anstellungsvertrag, die monatlichen Lohnabrechnungen seit dem 1.3.2008, Beitragsnachweise, die Betriebsnummer, unter der die Beiträge abgeführt wurden, seine Sozialversicherungsnummer, seine letzte Krankenkasse sowie einen Nachweis über eine etwaige Elterneigenschaft vorlegen. An die Erledigung wurde der Kläger unter dem 17.3.2009 sowie unter dem 29.4.2009 noch einmal erinnert. Der Kläger reagierte hierauf jedoch nicht.
Für die Zeit vom 1.3.2008 bis zum 31.5.2009 führte die Beklagte sodann gem. § 28p Abs. 1 SGB IV eine Beitragsüberwachung durch und hörte den Kläger mit Schreiben vom 22.6.2009 zu der beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 30.098,35 Euro durch einen Summenbeitragsbescheid an. Zur Begründung wurde ausgeführt, da der Kläger nicht auf die Schreiben vom 29.1.2009, 17.3.2009 und 29.4.2009 reagiert habe, habe die Höhe der gezahlten Arbeitsentgelte nicht ermittelt werden können. Sie hätten daher geschätzt werden müssen; dabei habe man für das zu ermittelnde monatliche Arbeitsentgelt das Arbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde gelegt. Er sei laut der Auskunft seines Arbeitgebers seit dem 1.3.2008 als Servicetechniker für Deutschland beschäftigt. Aufgrund seines Wohnortes und der überwiegenden Tätigkeit in Deutschland würden für ihn die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit gelten. Den grundsätzlich vom Arbeitgeber zu zahlende Gesamtsozialversicherungsbeitrag habe der Beschäftigte u.a. dann selbst zu zahlen, wenn sein Arbeitgeber - wie hier - nicht der inländischen Gerichtsbarkeit unterstehe und seine Zahlungspfli...