Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. wesentlicher Verfahrensfehler: Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens. Angemessenheit der Frist eines nach § 109 SGG einzuzahlenden Kostenvorschusses

 

Orientierungssatz

1. Wird der nach § 109 SGG für die Einholung eines Gutachtens zu entrichtende Kostenvorschuss erst nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist einbezahlt, so ist dies unschädlich, wenn das Gericht hierzu eine kürzere Frist als von 6 Wochen gesetzt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Kläger für die Zahlung des Kostenvorschusses eines Dritten bedient.

2. Von einer Verzögerung des Rechtsstreites i S des § 109 Abs 2 SGG kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich durch die vom Kläger beantragte Beweisaufnahme der durch Terminierung bereits ins Auge gefasste Zeitpunkt der Beendigung der Streitsache tatsächlich verschiebt.

3. Der Grundsatz des fairen Verfahrens ist dann verletzt, wenn das Gericht durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar verkürzt. Das Gebot der zügigen Entscheidung des Rechtsstreits tritt im Rahmen des § 109 SGG erkennbar in den Hintergrund, weil der Kläger selbst durch das ihm eingeräumte Antragsrecht auf eine kurzfristig mögliche Sachentscheidung verzichtet.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.08.2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Entschädigung wegen Folgen eines Arbeitsunfalls am 26.09.2006.

Der am 00.00.1961 geborene Kläger erlitt am 26.09.2006 als Hauer unter Tage einen Arbeitsunfall, als er beim Tragen von Klemmbockbühnenteilen auf einen Gesteinsbrocken trat, umknickte und sich das linke Knie verdrehte. Mit Bescheid vom 24.07.2007 erkannte die Beklagte als Folge des Arbeitsunfalls eine Muskelminderung im linken Oberschenkel, Schwellneigung über dem linken Kniegelenk sowie Beschwerden an. Unfallunabhängig bestünden degenerative Veränderungen im linken Kniegelenk. Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Unfalls bestehe nicht. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) messbaren Grades wegen der Folgen des Unfalls ergebe sich nicht. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2008 zurückgewiesen.

Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger behauptet, die Folgen des Arbeitsunfalls am 26.09.2006 hätten sich zwischenzeitlich verschlechtert. Bei geringsten Belastungen schwelle das linke Knie regelmäßig an. Die erhebliche Muskelminderung im linken Oberschenkel bestehe fort.

Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.

Mit einfachem Brief hat das SG den Kläger am 01.12.2008 darauf hingewiesen, keine weitere medizinische Sachaufklärung von Amts wegen durch Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten zu betreiben. Unter Hinweis auf die Regelungen des § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werde der Kläger gebeten, bis 02.01.2009 einen bestimmten Antrag zu stellen. Mit am 23.12.2008 bei dem SG eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG von Dr. C aus S. Am 29.12.2008 gab das SG dem Kläger auf, bis spätestens 30.01.2009 einen Vorschuss auf die Kosten nach § 109 SGG in Höhe von EUR 1.500,00 zu entrichten. Mit Schreiben vom 03.02.2009 änderte der Kläger seinen Antrag und beantragte nunmehr Prof. Dr. H aus I gemäß § 109 SGG als Sachverständigen zu hören. Am 06.02.2009 wurde der Vorschuss auf die Kosten in Höhe von EUR 1.500,00 bei der Oberjustizkasse Hamm eingezahlt. (Die Zahlungsanzeige ging am 16.02.2009 bei dem SG ein.) Mit einfachem Brief vom 09.02.2009 teilte das SG dem Kläger mit, der aufgegebene Vorschuss auf die Kosten sei bei der Staatskasse nicht fristgerecht eingegangen. Die Sache sei "zur Sitzung" geschrieben. Mit Schreiben vom 12.02.2009 forderte der Kläger das Gericht unter Bezugnahme auf die zwischenzeitlich erfolgte Einzahlung des Vorschusses auf, nunmehr das Gutachten von Prof. Dr. H einzuholen. Mit Schreiben vom 17.02.2009 teilte das SG dem Kläger mit, wegen der nicht fristgerechten Einzahlung des Vorschusses werde das Gutachten gemäß § 109 SGG nicht eingeholt. Mit Schreiben vom 21.02.2009 wies der Kläger darauf hin, dass das Fristversäumnis bezüglich der Einzahlung des Kostenvorschusses nicht zu einer Verfahrensverzögerung geführt habe und nach wie vor die Möglichkeit bestünde, das Gutachten einzuholen.

Am 04.03.2009 hat das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 07.08.2009 bestimmt. Mit weiterem Schreiben vom 14.05.2009 forderte der Kläger erneut das SG dazu auf, das Gutachten nach § 109 SGG einzuholen. Daraufhin teil das SG dem Kläger unter dem 15.05.2009 mit, über die Einholung de...

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