Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Nothilfe. Vorliegen eines Eilfalls. Erstattung der Aufwendungen im gebotenen Umfang. Krankenhilfe. Anwendbarkeit der Vergütungsregelungen der GKV. DRG-Krankenhaus. Vergütung der Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen. keine Begrenzung des Erstattungsanspruchs durch Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Hilfefall. fehlende Versicherungspflicht in der GKV
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Aufnahme des Hilfeempfängers in ein Krankenhaus dauert der Eilfall nur bis zur Kenntniserlangung des Leistungsträgers; danach anfallende Aufwendungen sind gegenüber dem Nothelfer nicht mehr nach § 25 SGB 12 erstattungsfähig, sondern betreffen allein den originären Leistungsanspruch des Hilfeempfängers.
2. Rechnet das Nothilfe leistende Krankenhaus nach dem DRG-Vergütungssystem ab, richtet sich die Erstattung nach § 25 SGB 12 ebenfalls nach den Vorgaben dieses Vergütungssystems.
Dabei ist eine Fallpauschale, die bereits mit der Krankenhausaufnahme des Hilfeempfängers insgesamt angefallen ist, komplett als Nothilfe erstattungsfähig, auch wenn der Hilfeträger noch vor Ende der Grenzverweildauer vom Hilfefall Kenntnis erlangt. Eine Aufteilung der Pauschale pro rata temporis bis zur Kenntniserlangung findet nicht statt.
Nicht als Nothilfe erstattungsfähig sind nach Kenntniserlangung und Überschreiten der Grenzverweildauer entstandene Ansprüche für die Krankenhausbehandlung; diese betreffen allein den originären Leistungsanspruch des Hilfeempfängers.
3. Allein aus dem bloßen Aufenthalt eines Erwerbsfähigen in Deutschland kann, jedenfalls wenn dieser hier nicht einwohnerrechtlich gemeldet ist, nicht darauf geschlossen werden, er halte sich hier (mit der Folge einer Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung gem § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB 5) zum Zwecke der Arbeitsuche auf.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung der Kosten für die stationäre Behandlung des polnischen Staatsangehörigen T C, geb. am 00.00.1997 (im Folgenden: Hilfebedürftiger), im von der Klägerin betriebenen Evangelischen Krankenhaus L.
Der Hilfebedürftige erlitt am 22.03.2010 im Rahmen einer Verhaftung durch die Polizei eine Schädelbasisfraktur. Er wurde zunächst notfallmäßig in einem Krankenhaus in L1 behandelt. Der (heroinabhängige) Hilfebedürftige verließ das erstversorgende Krankenhaus entgegen ärztlichem Rat, wurde jedoch nach erneutem Polizeigewahrsam am späten Nachmittag des 23.03.2010 (17.56 Uhr) mittels Rettungswagen in das Krankenhaus der Klägerin verbracht.
Im Rahmen der dortigen Aufnahme wurde der Hilfebedürftige zunächst als Selbstzahler geführt. Er unterzeichnete einen Aufnahmeantrag und machte folgende Angaben zur "Feststellung der persönlichen Daten zum Antrag auf Übernahme der stationären Behandlungskosten aus Sozialhilfemitteln (§ 48 SGB XII)": Er sei im März 2009 aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und lebe seither in L. Seine Freundin N F, geboren am 00.00.1990, gehe privat putzen. Sie erziele ein monatliches Einkommen in Höhe von 260,00 EUR. Unterkunftskosten in Höhe von ca. 600,00 EUR übernehme ein Freund, der ihm lediglich unter dem Namen B bekannt sei. Zum Unterhalt versuche er mit gelegentlichen Diebstählen beizutragen. Er müsse auch das von ihm benötigte Heroin finanzieren. Eine Versicherung oder internationale Krankenversicherung habe er in Polen nicht abgeschlossen.
Aktenkundig ist, dass Frau F im Januar 2010 auf Strafvollstreckungshaftbefehle des Hilfebedürftigen wegen Diebstahls insgesamt 380,00 EUR zahlte.
Der Hilfebedürftige wird in Polen ausweislich eines Haftbefehls des Bezirksstaatsanwaltes in A H vom 17.10.2012 wegen eines Drogendelikts (im Zeitraum Dezember 2008 bis Januar 2009) gesucht. Als letzte bekannte Anschrift wird in dem Haftbefehl angegeben: A H, ulica A 00.
Die Klägerin stellte per Telefax bei der Beklagten (Eingang am 29.03.2010 um 11:58 Uhr) einen Antrag gemäß § 25 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII). Die Beklagte bestätigte den Eingang am selben Tag und erbat die Übersendung einer Unfallschilderung sowie das Aktenzeichen der Polizeidienststelle.
Der Hilfebedürftige war der Beklagten ausweislich des von ihr vorgelegten Verwaltungsvorgangs durch einen von einem Krankenhaus in L-I am 23.11.2009 gestellten vorsorglichen Antrag gemäß § 25 SGB XII bekannt. Die Beklagte hatte seinerzeit in der Annahme, der Hilfebedürftige sei deutscher Staatsangehöriger, auf eine bestehende Versicherungspflicht hingewiesen. Nachfolgend hatte sie festgestellt, dass der Hilfebedürftige weder Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) noch dem SGB XII bezogen hatte. Der Hilfebedürftige sei am 17.06.2009 nach Polen abgemeldet worden. Der seinerzeitige Antrag gemäß § 25 SGB XII war mit Bescheid vom 04.03.2010 mit der Begründung abgelehnt ...