Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Weiterbewilligung einer Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung - Wegefähigkeit
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf Weitergewährung einer bewilligten Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB 6 ist ausgeschlossen, wenn der Versicherte in der Lage ist, sechs Stunden pro Arbeitstag tätig zu sein.
2. Bestehen nach einer Alkoholerkrankung keine Hinweise auf Alkoholisierung oder Entzugssymptome und sind auch qualitative Leistungseinschränkungen nicht vorhanden, so ist ein Anspruch auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente ausgeschlossen.
3. Der Katalogfall der Wegeunfähigkeit liegt nicht vor, wenn der Versicherte täglich zu Fuß eine Strecke von viermal etwas mehr als 500 meter in einer Zeit von maximal 20 Minuten ohne unzumutbare Schmerzen und ohne Gefährdung der Gesundheit zurücklegen und auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.09.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Weiterbewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.10.2014 hinaus.
Der am 00.00.1963 geborene Kläger ist gelernter Maschinenschlosser. Zuletzt arbeitete er 2007 als Maschinenschlosser. Zugleich war er bis 2008 als Gastwirt tätig. Der Kläger bezog laut letztem Versicherungsverlauf zumindest noch bis einschließlich Dezember 2016 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Im Jahr 2008 beantragte der Kläger erstmals eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Nach einer medizinischen Begutachtung aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 09.11.2008 durch Dr. M (Diagnosen: Alkoholabhängigkeit, Verdacht auf depressive Episode, Verdacht auf narzisstische Persönlichkeit) bewilligte die Beklagte dem Kläger im Widerspruchsverfahren mit Bescheid vom 05.03.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.11.2008 bis 31.10.2010.
Im Mai 2010 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nachdem der Sachverständige Dr. X ein psychiatrisches Gutachten aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 18.04.2012 im Rahmen des diesbezüglichen Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Duisburg mit dem Aktenzeichen S 29 R 559/11 erstellt hatte, wiederum u.a. mit der Diagnose schädlicher Gebrauch von Alkohol, bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit über den 31.10.2010 hinaus bis zum 31.10.2014.
Am 30.05.2014 beantragte der Kläger formlos die hier streitige Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.10.2014 hinaus. Im Formular R210 gab der Kläger an, er halte sich wegen einer Verbitterungsstörung als spezifische Sonderform einer Anpassungsstörung sowie wegen einer rezidivierenden depressiven Störung für erwerbsgemindert und verwies auf das Gutachten von Dr. X.
Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. L ein. Dr. L diagnostizierte beim Kläger aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 21.08.2014 eine Insomnie. Der Kläger sei in der Lage, körperlich mittelschwere Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten.
Mit Bescheid vom 09.09.2014 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung ab.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch am 19.09.2014 unter Hinweis auf völlig falsch gestellte Diagnosen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2014 zurück.
Der Kläger hat am 05.01.2015 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und angeregt, ihn diesmal qualifiziert begutachten zu lassen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm über dem 31.10.2014 hinaus eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt:
- Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. X1 vom 18.02.2015; der Kläger habe sich erstmalig am 22.10.2002 vorgestellt und dann erst wieder im Jahr 2014. Psychopathologisch gebe es Hinweise auf eine rezidivierende depressive Störung, die zuletzt mittelgradig ausgeprägt gewesen sei. Insgesamt hätten seit Oktober 2012 nur vier Kontakte stattgefunden. Er könne die Frage, ob der Kläger noch imstande sei, vollschichtig schwere, mittelschwere oder leichte Tätigkeiten zu verrichten, nicht sicher beantworten. - Befundbericht der Psychologin Frau S vom 17.03.2015; der Kläger habe sich 2007/2008 in psychotherapeutischer Behandlung befunden, habe sie am 18.01.2012 erneut aufgesucht und von ei...