Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Verletztengeldanspruch gem § 45 Abs 1 SGB 7. Arbeitsentgeltanspruch. geringfügige Beschäftigung eines Rentenbeziehers. Unmittelbarkeit des zeitlichen Anschlusses. gleichzeitiger Bezug von Altersruhegeld. Schutzzweck/Anwendbarkeit
Orientierungssatz
1. Entgegen der Auffassung der Kommentarliteratur kann nicht allein aus der sprachlichen Fassung des § 45 Abs 1 Nr 2 SGB 7 abgeleitet werden, dass bis zum letzten Tag vor Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf eine der genannten Leistungen bestanden haben muss. Denn im Hinblick auf Gesetzessystematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist dem BSG beizupflichten (vgl BSG vom 26.6.2007 - B 2 U 23/06 = SozR 4-2700 § 45 Nr 1), dass mit der Voraussetzung eines unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestehenden Anspruchs auf Arbeitsentgelt etc. die Entgeltersatzfunktion des Verletztengeldes betont und sichergestellt werden soll, dass nur solche Versicherte die Leistung erhalten, die zum Kreis der Erwerbstätigen gehören und ihren Lebensunterhalt vor Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit aus einer Erwerbstätigkeit oder einer daran anknüpfenden Sozialleistung bestritten haben. Dies bedeutet aber, dass es nicht auf einen tagesgenauen zeitlichen Anschluss, sondern darauf ankommt, dass der Versicherte, als er arbeitsunfähig wurde, von einer der im Gesetz aufgeführten Einkunftsarten gelebt haben muss.
2. Einem Anspruch auf Verletztengeld steht nicht entgegen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls bereits Altersruhegeld bezogen und somit für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf zwei Leistungen mit Lohnersatzfunktion hatte. Denn im Gegensatz zum Ausschluss eines Krankengeldanspruchs geringfügig beschäftigter Rentner gem § 44 Abs 1 S 2 SGB 5 ist der Verletztengeldanspruch in diesen Fällen nicht ausgeschlossen.
3. Auch eine geringfügige Beschäftigung eines Rentenbeziehers ist eine vom Schutzzweck des § 45 SGB 7 umfasste Tätigkeit.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 28.05.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Rente anstelle von Verletztengeld wegen der Folgen einer anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4105 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Pericards - im Wege der Sonderrechtsnachfolge.
Die Klägerin ist die Witwe des 1940 geborenen und am 00.03.2006 verstorbenen K O (Vers.), mit dem sie zum Zeitpunkt dessen Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Dieser war während seiner Tätigkeit als Schlosser in der Zementherstellung von 1976 bis zum 22.12.1995 in hohem Maße gegenüber Asbeststäuben exponiert (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 19.04.2004). Ab 01.06.1997 bezog der Vers. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, seit dem 06.08.2001 war er bei der Firma T GmbH - Holzverarbeitung - als geringfügig Beschäftigter mit einem Entgeltanspruch von zuletzt 360,00 EUR monatlich tätig gewesen.
Am Montag, den 02.02.2004 begab sich der Vers. wegen seiner Beschwerden erstmals in hausärztliche und stationäre Krankenhausbehandlung. Dort wurde ein Pleuramesotheliom diagnostiziert und im Rahmen einer pathologischen Begutachtung durch Prof. Dr. N, Direktor des Instituts für Pathologie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C in C (Gutachten vom 29.03.2004) als Subtyp eines Mesothelioms im Sinne der BK nach Nr. 4105 gesichert.
Der letzte Arbeitgeber des Vers. teilte unter dem 07.06.2004 schriftlich mit, dieser habe als Aushilfe am 29.01.2004 das letzte Mal bei ihnen gearbeitet. Da er dann krank geworden sei, hätten sie ihn zum 31.01.2004 bei der Bundesknappschaft abgemeldet.
Mit Bescheid vom 05.08.2004 erkannte die Beklagte die Asbeststaublungenerkrankung als BK nach Nr. 4105 an. Die Beklagte führte in der Folgezeit Ermittlungen zum letzten Arbeitstag mit Kontakt des Vers. zu asbesthaltigen Stoffen und zur Höhe der Bruttoentgelte vom 01.12.1994 bis 30.11.1995 durch (Mitteilungen der Q-Zementwerke T1 OHG vom 09.08.2004 und Firma T GmbH vom 16.08.2004). Auf erneute Anfrage teilte die Firma S GmbH unter den 06.10.2004 mit, ein Arbeitseinsatz des Vers am 30.01.beziehungsweise 31.01.2004 sei nicht vorgesehen gewesen, da er sich schon einige Zeit nicht gut gefühlt habe und zum Arzt habe gehen wollen. Nach dem Arztbesuch habe er sich telefonisch krankgemeldet. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung liege ihnen nicht vor, da dies auch nicht mit dem Vers. vereinbart worden sei. Die Abmeldung sei circa im März 2004 an die Bundesknappschaft geschickt worden und am 06.09.2004 nochmals per Fax.
Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2004 Verletztengeld. Für die Dauer von sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit ...