Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft. Produkt aus Wohnfläche und Wohnstandard. Vergleichsraum. Schlüssiges Konzept. Mietspiegel. Fortschreibung. Ausreichende Datengrundlage. Stichprobe. Mathematisch-statistische Grundsätze. Kalte Betriebskosten. Betriebskostenspiegel. Kostensenkungsaufforderung. Bedarfsgemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Die Höhe der vom Grundsicherungsträger zu übernehmenden tatsächlichen Kosten der Unterkunft richtet sich regelmäßig kopfanteilig nach der Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen, unabhängig davon, ob diese Teil der Bedarfsgemeinschaft sind.

2. Zur Angemessenheit der Unterkunftskosten ist es ausreichend, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist; d. h., dass die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessenen Mietobergrenzen nicht überschreitet.

3. Eine Mehrheit von Personen ist zur Bestimmung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten nur dann relevant, wenn es sich um eine Bedarfsgemeinschaft i. S. von § 7 Abs. 3 SGB 2 handelt. Eine solche zwischen Elternteil und Kind bestehende Bedarfsgemeinschaft ist auf den Zeitraum bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem Haushalt lebenden Kindes begrenzt. Besteht ab diesem Zeitpunkt keine Bedarfsgemeinschaft mehr, so ist auch eine Verweisung auf die für Mitglieder einer zweiköpfigen Bedarfsgemeinschaft maßgebliche Wohnungsgröße unzulässig.

4. Die Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße ist grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus Wohnungsgröße und Wohnungsstandard ausgedrückt in der Höhe des Mietpreises gleichwohl angemessen i. S. des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 ist.

5. Ein vorhandener Mietspiegel dient nur dann als Grundlage des erforderlichen schlüssigen Konzeptes zur Ermittlung der angemessenen Miete, wenn dieser auf einer ausreichenden Datengrundlage basiert, die nach statistischen Kriterien ausgewertet worden ist, sodass die tatsächlichen Gegebenheiten des Wohnungsmarktes abgebildet werden.

6. Maßgeblich für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheit ist nicht allein die Nettokaltmiete. Entscheidend ist das Produkt aus Wohnungsgröße und Wohnungsstandard zuzüglich der kalten Betriebskosten, d. h. der Nebenkosten ohne Heizkosten.

7. Voraussetzung für die Absenkung der Unterkunftskosten durch den Grundsicherungsträger auf das angemessene Maß ist nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB 2 die Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens. Dabei gilt ein Übergangszeitraum von sechs Monaten.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1, § 7 Abs. 3 Nr. 4; BGB § 558c Abs. 3

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 02.04.2014; Aktenzeichen B 4 AS 17/14 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 28.12.2012 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2012 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.07.2012 verurteilt, der Klägerin im Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 insgesamt weitere Unterkunftskosten in Höhe von 370,21 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der im Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012 zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Klägerin ist am 00.00.1954 geboren. Sie bewohnte im streitigen Zeitraum gemeinsam mit ihrer am 00.00.1987 geborene Tochter in dem Haus T-straße 00 in F eine 4-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von ca. 86 m².

Die Klägerin verfügt nicht über eigenes Vermögen. Ab dem 01.11.2011 erhielt sie Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung i.H.v. 180 EUR monatlich, das ihr jeweils im laufenden Monats zufloss. Die Tochter der Klägerin nahm ab dem 01.10.2011 ein Studium der Fachrichtung Sozialarbeit auf, welches voraussichtlich bis zum 30.09.2014 andauern wird. Sie erhält für die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) grundsätzlich förderungsfähige Ausbildung kein BaföG, da es sich um die zweite Ausbildung handelt und sie eine erste Ausbildung abgebrochen hatte. Soweit ersichtlich verfügte sie im streitigen Zeitraum nicht über Einkommen, das über eine geringfügige Grenze hinausging.

Die Unterkunftskosten beliefen sich im streitigen Zeitraum auf 493,40 EUR Grundmiete zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung einschließlich Heizkosten i.H.v. 117,26 EUR monatlich; insgesamt entstanden Kosten i.H.v. 610,66 EUR monatlich. Nach den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben entfielen bei der monatlichen Nebenkostenvorauszahlung 58,88 EUR auf die Heizkosten und 58,38 EUR auf die Betriebskosten.

Die Klägerin bezog gemeinsam mit ihrer Tochter zunächst bis zum 30.05.2008 Leistungen nach dem SGB II von der Beklagten. Der Leistungsbezug endete ...

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