Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. vollstationäre Unterbringung in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen. Einkommenseinsatz. Berücksichtigung von Pflegegeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen. keine analoge Anwendung des § 13 Abs 5 SGB 11. Zweckidentität iS des § 83 Abs 1 SGB 12. keine Begrenzung auf 256 Euro monatlich analog § 43a S. 2 SGB 11

 

Orientierungssatz

1. Einer Berücksichtigung des Pflegegeldes aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen iS des § 82 Abs 1 SGB 12 steht § 13 Abs 5 SGB 11, wonach die Leistungen der Pflegeversicherung als Einkommen bei einkommensabhängigen Sozialleistungen, wie den Leistungen nach dem SGB 12, unberücksichtigt bleiben, nicht entgegen. Eine analoge Anwendung des § 13 Abs 5 SGB 11 kommt nicht in Betracht, da es an der für eine Analogie notwendigen vergleichbaren Interessenlage fehlt.

2. § 83 Abs 1 SGB 12 steht einer Berücksichtigung des Pflegegeldes aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen iS des § 82 Abs 1 SGB 12 nicht entgegen, wenn an den Leistungsberechtigten Leistungen der Eingliederungshilfe in Gestalt von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Form der vollstationären Unterbringung in einer Einrichtung des betreuten Wohnens erbracht werden. Beide Leistungen dienen der Sicherstellung des Pflegebedarfs des Leistungsberechtigten und sind daher partiell zweckidentisch.

3. Die Berücksichtigung des Pflegegeldes aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen iS des § 82 Abs 1 SGB 12 ist nicht auf einen Betrag in Höhe von 256 Euro begrenzt. § 43a S 2 SGB 11 ist weder direkt noch entsprechend anwendbar.

 

Normenkette

SGB XII § 83 Abs. 1, § 82 Abs. 1-2, § 92 Abs. 1 Sätze 1, 2 Hs 1, § 19 Abs. 3, §§ 13, 53 Abs. 3, § 55 S. 1, § 85 Abs. 1, § 88 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 13 Abs. 5, § 43a S. 2; SGB VII § 44 Abs. 2

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 20.04.2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zur Hälfte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte vom Kläger eine Beteiligung an den Kosten seiner vollstationären Unterbringung in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen in voller Höhe des dem Kläger nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung geleisteten Pflegegeldes verlangen kann.

Der im April 1975 geborene Kläger ist aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens seit seiner Geburt geistig behindert und leidet seitdem auch an einer statomotorischen Retardierung und einer Tetraspastik. Er steht unter Betreuung; als Betreuerin ist seine Mutter bestellt. Er ist Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen G, aG, B, RF und H.

Ab Mai 1990 erkannte die Krankenkasse des Klägers (Barmer Ersatzkasse, später Barmer GEK) Schwerstpflegebedürftigkeit an und gewährte zunächst Geldleistungen nach dem damaligen § 57 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Bei einem Schulunfall am 25.06.1993 erlitt der Kläger einen Trümmerbruch der linken Kniescheibe. Aufgrund dessen bewilligte die Ausführungsbehörde für Unfallversicherung des Landes Nordrhein-Westfalens (später: Landesunfallkasse NRW) mit Bescheid vom 22.07.1994 bis auf weiteres Pflegegeld, zunächst nach § 558 Abs. 3 Reichsversicherungsverordnung (RVO), später dann nach § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Das Pflegegeld wurde monatlich im Voraus gezahlt (vgl. § 96 Abs. 1 SGB VII in der bis zum 29.02.2004 geltenden Fassung).

In der Folgezeit erhielt der Kläger im Zeitraum vom 01.03.1996 bis zum 31.07.2001 und vom 01.02.2002 bis zum 28.08.2004 ergänzendes Pflegegeld für Pflegestufe III aus den Mitteln der gesetzlichen Pflegeversicherung, soweit das Pflegegeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung hinter den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung zurückblieb.

Am 29.08.2004 wurde der Kläger auf seinen Antrag hin vollstationär in die Wohnstätte G in X (Träger: Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Kreis X e.V.) aufgenommen. Mit Bescheid vom 26.07.2004 bewilligte der Beklagte dem Kläger Sozialhilfe im Rahmen der Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Form der Übernahme der Heimkosten, der anlässlich der Aufnahme und Entlassung entstehenden notwendigen Fahrtkosten, der Kosten für 6 Familienheimfahrten im Kalenderjahr sowie der Gewährung eines Barbetrages. Die Heimkosten umfassten auch die vom Träger der Wohnstätte geltend gemachten Pflegekosten.

Während seiner Unterbringung in der Wohnstätte G ging der Kläger einer Tätigkeit in der der Wohnstätte angeschlossenen Werkstatt für behinderte Menschen nach. Aus seinem dort erzielten Einkommen behielt der Träger der Werkstatt einen Kostenbeitrag ein, den er an den Beklagten abführte. Mit Bescheid vom 26.04.2005 setzte der Beklagte weiterhin eine Kostenbeteiligung des Klägers in Höhe des Unterhalts...

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