Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweispflicht des Gerichts bei Formverstoß

 

Leitsatz (amtlich)

Die Mitteilungspflicht nach § 65 a Abs. 2 Satz 3 SGG erfordert, dass dem Betroffenen in für einen Laien verständlicher Form die Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur mitgeteilt werden. Darüber hinaus ist es jedenfalls bei einem Rechtsmittelschriftsatz darauf hinzuweisen, dass durch die Nichtbeachtung der gebotenen Form die gesetzliche Frist nicht gewahrt wird und das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.

 

Tenor

Dem Kläger wird wegen der Versäumung der Frist für die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 12.4.2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

 

Gründe

Gegen das ihm am 20.4.2007 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 12.4.2007 hat der Kläger durch seine zur Prozessführung bevollmächtigte Tochter am 30.4.2007 beim Sozialgericht Koblenz per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur Berufung eingelegt, die am 4.5.2007 an das Landessozialgericht weitergeleitet wurde. Per E-Mail vom 9.5.2007 teilte das Landessozialgericht dem Kläger mit, elektronisch übermittelte Dokumente seien mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Um gegebenenfalls Nachteile zu vermeiden, werde er gebeten, das per E-Mail überlassene Dokument qualifiziert signiert oder schriftlich unterzeichnet in Papierform erneut zu übersenden. Mit Schreiben vom 6.6.2007 wies der Berichterstatter ihn auf die Unzulässigkeit seiner per E-Mail eingelegten Berufung und die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung hin. Mit am 12.6.2007 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger nochmals Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Dem Kläger war gemäß § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er ohne Verschulden gehindert war, die am Montag, den 21.5.2007 endende Berufungsfrist (§ 151 Abs. 1, 2 SGG, § 64 Abs. 3 SGG) zu wahren. Nach § 65a Abs. 2 Satz 3 SGG ist, wenn ein bei Gericht eingegangenes elektronisches Dokument nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, dies dem Absender unter Angabe der für das Gericht geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilung des Landessozialgerichts vom 9.5.2007 genügte diesen Anforderungen nicht, weil sie dem Kläger weder die technischen Rahmenbedingungen für den elektronischen Rechtsverkehr noch die sich aus der Nichterfüllung der Anforderungen ergebenden Rechtsfolgen hinreichend deutlich vermittelt hat. Die Angabe der technischen Rahmenbedingungen erfordert, dass dem Betroffenen in für einen Laien verständlicher Form die Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur mitgeteilt werden. Darüber hinaus genügt es jedenfalls bei einem Rechtsmittelschriftsatz auch nicht, auf eventuelle "Nachteile" hinzuweisen; vielmehr ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass durch die Nichtbeachtung der gebotenen Form die gesetzliche Frist nicht gewahrt wird und das Rechtsmittel innerhalb der Frist in einer vorgeschriebenen Form einzulegen ist. Da der Kläger auch innerhalb eines Monats nach der ausführlichen Belehrung durch den Berichterstatter die Berufung nochmals formgerecht eingelegt hat, war ihm Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. auch amtl. Begründung zum Entwurf des gleich lautenden § 55a VwGO, BT-Drucks. 15/4067, S. 37).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 67 Abs. 4 Satz 2, § 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1838113

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