Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe. Nichterreichen des Wertes des Beschwerdegegenstandes: Statthaftigkeit der PKH-Beschwerde gegen die Versagung für ein Klageverfahren. Ausschluss der PKH-Beschwerde gegen die Versagung für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwerde gegen einen die Gewährung von Prozesskostenhilfe in einem Klageverfahren ablehnenden Beschluss eines Sozialgerichts ist auch dann zulässig, wenn in dem Klageverfahren der Berufungsstreitwert des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG nicht erreicht wird (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung des Senats, Beschluss vom 9.7.2009 - L 1 AY 6/09 B -).

2. Hingegen ist die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in einem Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG unzulässig, wenn die Beschwerdesumme nicht erreicht wird und keine wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr begehrt wird. In diesem Fall stehen der entsprechenden Geltung des § 127 Abs 2 ZPO keine wesentlichen Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens entgegen. Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht erforderlich.

 

Tenor

1. Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 29.03.2010 - S 12 SO 45/10 ER - werden als unzulässig verworfen.

2. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

3. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Antragstellers auf Gewährung von vorläufigen Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 111,- EUR für März 2010. Außerdem wendet sich der Antragsteller gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im Verfahren des ersten Rechtszuges.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig. Nach § 172 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde in Sachen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statthaft, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dies ist vorliegend der Fall, weil der anwaltlich vertretene Antragsteller nach seinem Beschwerdevorbringen die einstweilige Gewährung von Grundsicherungsleistungen nur für den Monat März 2010 und nur in Höhe von insgesamt 111,- EUR begehrt. In der Hauptsache wäre deshalb die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,- EUR nicht.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nach §§ 172 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches (SGG) in entsprechender Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. der gesetzlichen Wertung des § 172 Abs. 2 Nr. 1 SGG ebenfalls unstatthaft.

Der Ausschluss der Beschwerde folgt nicht bereits aus § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG weil das Sozialgericht (SG) den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) nicht wegen des Fehlens der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint hat, sondern wegen der fehlenden hinreichenden Erfolgsaussicht des Begehrens.

Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine "andere Bestimmung" in diesem Sinne enthält § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO für die PKH entsprechend. Nach § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO findet gegen die Ablehnung von PKH die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der Vorschrift nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint. In § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist geregelt, dass die Berufung nur zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,- EUR übersteigt. Alternativ ist die Berufung auch zulässig, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil ausdrücklich zugelassen hat (§ 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO). Eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Berufungsgericht sieht die ZPO hingegen nicht vor.

In der Rechtsprechung umstritten ist bislang, inwieweit § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar ist (vgl. zum aktuellen Meinungsstand: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.01.2010 - L 2 R 527/09 B -, Juris). Jedenfalls spricht das Gesetz nur von einer "entsprechenden Geltung". Dies bedeutet, dass gegen die Versagung der PKH nicht die in der ZPO vorgesehene sofortige Beschwerde, sondern allenfalls die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft ist, und dass nicht der Wert des Beschwerdegegenstandes des § 511 ZPO (600,- EUR), sondern allenfa...

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