Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Schüler-BAföG. Anteil der nicht zu berücksichtigenden zweckbestimmten Einnahme. Nachweis höherer Ausbildungskosten als 20%-Pauschale unter Berücksichtigung des Schulgeldes
Leitsatz (amtlich)
Schüler-BAföG ist bei der Berechnung der Höhe der Leistungen nach dem SGB 2 nur insoweit als Einkommen anzurechnen, als es die schulbezogenen Aufwendungen überschreitet. Zu den schulbezogenen Aufwendungen zählt auch Schulgeld.
Orientierungssatz
Der in den Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) vorgesehene Pauschalabzug von 20 vH vom Schüler-BAföG für den Teil, der die ausbildungsbedingten Aufwendungen abdecken soll, ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Dies kann aber wegen der Zweckbestimmung des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 dann nicht gelten, wenn im Einzelfall höhere ausbildungsbezogene Aufwendungen anfallen.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers zu 1) wird der Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 20.2.2008 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, für den Zeitraum ab dem 6.2.2008 bis zum 31.7.2008 Arbeitslosengeld II unter Anrechnung lediglich der um das Schulgeld verminderten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu gewähren.
2. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zu 1) die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller zu 1), der seit August 2007 eine private Berufsfachschule besucht und dafür monatlich 150,00 € Schulgeld bezahlt, bildet mit den Antragstellern zu 2) bis 8) eine Bedarfsgemeinschaft iSd Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II). Ihm waren mit Bewilligungsbescheid vom 22.8.2007 Leistungen von 111,50 € zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie 85,37 € für Unterkunft und Heizung monatlich bewilligt worden. Durch Bescheid vom 11.1.2008 entschied die Antragsgegnerin über Leistungen nach dem SGB II für die Bedarfsgemeinschaft vom 1.2. bis 31.5.2008, wobei sie dem Antragsteller zu 1) wegen der zu 80 vH erfolgten Anrechnung der ihm nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gewährten Leistungen (Schüler-BAföG) keine Leistungen erbrachte. Am 6.2.2008 hat der Antragsteller zu 1) beim Sozialgericht (SG) Speyer Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem Begehren, ihm im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Arbeitslosengeld II (Alg II) zu gewähren.
Das SG hat den Antrag durch Beschluss vom 20.2.2008 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Es fehle an einem Anordnungsanspruch, weil das Schüler-BAföG bei der Ermittlung der für das Alg II maßgebenden Einnahmen grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen sei. Das Schüler-BAföG sei kein zweckbestimmtes Einkommen iSd § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II. Die Auffassung der Antragsgegnerin, das Schüler-BAföG sei zu 80 vH auf das Alg II anzurechnen, sei nicht zu beanstanden (Hinweis auf Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg 19.7.2007 - L 5 AS 1191/05). Ein pauschaler Abzug von 20 vH für Aufwendungen zu Ausbildungszwecken sei sachgerecht. Das für den Schulbesuch entrichtete Schulgeld könne nicht in Abzug gebracht werden. Denn insoweit lägen keine mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben iSd § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II vor. Als absetzbar könnten nur solche Aufwendungen anerkannt werden, die Werbungskostencharakter hätten, dh solche, die durch die Einkommenserzielung zwingend bedingt seien. Die Pflicht zur Zahlung des Schulgeldes sei aber gerade nicht durch den Bezug der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bedingt. Im Gegenteil könnten Leistungen nach dem BAföG nur gewährt werden, wenn eine Schule besucht werde, dies aber wiederum völlig unabhängig davon, ob dies mit der Zahlung von Schulgeld verbunden sei oder nicht.
Gegen diesen Beschuss richtet sich die am 25.2.2008 eingelegte Beschwerde des Antragstellers zu 1), der das SG nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller zu 1) stützt sich auf die Rechtsprechung des Sächsischen LSG (ua 21.12.2007 - L 3 AS 73/06), wonach Schüler-BAföG zu den zweckbestimmten Einnahmen iSd § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II zähle, die nicht als Einkommen anrechenbar seien. Die Antragsgegnerin hat auf Bitte des Senats die Höhe der Alg II-Leistungen unter der Voraussetzung, dass nur das um das Schulgeld verminderte Schüler-BAföG als Einkommen anrechenbar ist, errechnet. Der Antragsteller zu 1) hat erklärt, die Leistungen würden in der von der Antragsgegnerin errechneten Höhe beantragt.
II.
Die nach §§ 172, 173 SGG zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Antragsteller zu 1) hat Anspruch auf vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts unter Anrechnung lediglich des um das Schulgeld verminderten Schüler-BAföG. Eine einstweilige Anordnung (§ 86b Abs 2 SGG) erfordert einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund. Beide Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Der Anordnungsanspruch ist gegeben, ...