Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sperrfristbeginn gem § 88 Abs 1 SGG bei gesetzlicher Neuregelung. Ruhen des Verfahrens. außergerichtliche Kosten. erledigte Untätigkeitsklage
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten der nach Ablauf der Sperrfrist erhobenen und nach Erteilung des Bescheides für erledigt erklärten Untätigkeitsklage trägt der Versicherungsträger analog § 193 SGG jedenfalls dann, wenn er schon vor Fristablauf wusste, dass ihm der Erlass des Bescheides innerhalb der Frist nicht möglich sein wird und er den Versicherten hierüber nicht in Kenntnis setzt.
Orientierungssatz
Zum Beginn der sechsmonatigen Sperrfrist des § 88 Abs 1 SGG, wenn sich der Versicherte und der Versicherungsträger darüber geeinigt haben, dass das Verfahren bis zur gesetzlichen Neuregelung im Anschluss an eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ruht.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 14.3.2008 aufgehoben
2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten seiner Untätigkeitsklage sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten nach Erledigterklärung der am 2.11.2007 erhobenen Untätigkeitsklage gegen die Beklagte.
Der Kläger hatte sich mit Schreiben vom 18.9.2003, mit welchem er Widerspruch gegen die Bescheide der Beklagten vom 11., 14. und 26.8.2003 wegen Anwendung der Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 Fremdrentengesetz (FRG) eingelegt hatte, mit dem Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts einverstanden erklärt. Die Beklagte äußerte sich mit Schreiben vom 10.2.2004 einverstanden.
Mit Beschluss des BVerfG vom 13.6.2006 - 1 BvL 9/00 - war der Gesetzgeber aufgefordert worden, bis zum 31.12.2007 eine Übergangsregelung für die Absenkung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG zu schaffen. Gemäß Art 6 § 4c Abs. 2 FANG in der ab dem 1.10.1996 geltenden Fassung vom 20.4.2007 gilt:
Für Berechtigte,
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1. die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, |
2. deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und |
3. über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, |
wird für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs. 4 FRG ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezuges
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vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 voll, |
vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 zu drei Vierteln, |
vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zur Hälfte und |
vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 zu einem Viertel |
gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezuges ab 1. Juli 2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. § 88 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) findet keine Anwendung. § 44 Abs. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) findet Anwendung.
Der Kläger, der unter diese Übergangsregelung fällt und dessen Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit 2003 im Hinblick auf die noch ausstehende Entscheidung des BVerfG zum Ruhen gebracht worden war, wies die Beklagte mit Schreiben vom 25.8.2007 auf o.g. Entscheidung des BVerfG hin und erklärte, er erwarte umgehend die Erteilung eines nach Art. 6 § 4c FANG entsprechenden Bescheids.
Mit Schreiben vom 11.9.2007 teilte die Beklagte ihm mit, er erfülle die Kriterien für die Anwendung des Art. 6 § 4c FANG. Das Programm zur Berechnung des Zuschlags werde voraussichtlich erst im Oktober zur Verfügung stehen.
Am 2.11.2007 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Koblenz (SG) Untätigkeitsklage gegen die Beklagte erhoben, die er nach Erteilung des Bescheids vom 4.12.2007, mit dem der Übergangsregelung des Art. 6 § 4c FANG Rechnung getragen und eine Nachzahlung an den Kläger festgestellt worden ist, mit am 7.1.2008 beim SG eingegangenem Schriftsatz in der Hauptsache für erledigt erklärt und um eine Kostenentscheidung dem Grunde nach gebeten hat. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) sei bereits seit Ende Juli 2007, die DRV Baden-Württemberg und die DRV Hessen seien bereits seit Anfang September in der Lage gewesen, entsprechende Ausführungsbescheide zu erteilen.
Die Beklagte hat dazu im Wesentlichen mit Schriftsatz vom 28.2.2008 vorgetragen, das anzuwendende Berechnungsprogramm sei innerhalb der dem AKIT (Arbeitskreis für Informationstechnologie) zugehörigen Anstalten am 19.9.2007 versandt worden. Am 4.10.2007 sei nach einer Beanstandung vom 25.9.2007 eine Programmschwäche, die in bestimmten Konstellationen zu unzutreffenden Ergebnissen bei der Rentenberechnung geführt hätte, durch Versand einer Info-Mail mit entsprechenden Programmänderung...