Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der Kosten einer Brille durch SGB II-Träger. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Teilhabe am Arbeitsleben behinderter Menschen. keine Übernahme der Kosten einer Brille
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten einer normalen Brille, auch in Form einer Gleitsichtbrille, können vom Träger der Grundsicherung weder nach § 16 Abs. 1 SGB II noch nach § 16 Abs. 2 SGB II übernommen werden.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 21.10.2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Umstritten ist ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren, in dem die Klägerin die Übernahme der Kosten einer Brille durch die Beklagte begehrt.
Die 1953 geborene Klägerin bezieht Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten. Sie arbeitet auf 400,-- €-Basis in einem Unternehmen, das Autoschilder herstellt. In einem Gutachten vom 9.11.2007 führte eine Ärztin des Gesundheitsamtes M. ua an: Die Klägerin leide an einer Altersfehlsichtigkeit, die mit einer Brille korrigiert werden müsse. Sie müsse während ihrer beruflichen Tätigkeit, aber auch im Alltag eine Sehhilfe tragen. Ihr sei eine augenärztliche Untersuchung empfohlen worden. Da sie keine Arbeiten an Bildschirmen verrichte, für die sie eine Brille benötige, bestehe kein Anlass, die Kosten einer Brille zu übernehmen, zumal diese auch im Alltag dringend erforderlich sei.
Bereits zuvor hatte die Klägerin ausweislich eines Beratungsvermerks vom 9.10.2007 bei der Beklagten angefragt, ob die "Förderung für eine neue Brille" erfolgen könne. Am 10.12.2007 beantragte sie schriftlich, die Kosten für eine Gleitsichtbrille zu übernehmen, da diese zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit unabdingbar nötig sei; die kleingeschriebenen Versicherungsformulare und großen Straßenverkehrsschilder zwängen sie zu einem ständigen Wechsel von einer Kurz- zu einer Weitsichtbrille, was ihr Kopfschmerzen verursache. Die Klägerin legte die Rechnung eines Optikers vom 15.11.2007 für eine Gleitsichtbrille in Höhe von 648,-- € vor; in dieser Rechnung ist bestätigt, dass der Optiker den Rechnungsbetrag erhalten habe.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin durch Bescheid vom 21.12.2007 ab, weil die Kosten der Brille keine Leistung zur Eingliederung iSd Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) sei. Sie wies den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 3.4.2008 zurück und führte zur Begründung an: Ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Brille nach § 16 Abs 1 SGB II scheide aus, da die Klägerin die Sehhilfe auch im Alltag trage und keine Arbeiten an Bildschirmen verrichte, für die sie eine spezielle Brille benötige. Ein Anspruch nach § 16 Abs 2 SGB II sei im Ausgangsbescheid ermessensfehlerfrei abgelehnt worden.
Zur Begründung ihrer am 29.4.2008 erhobenen Klage hat die Klägerin ua vorgetragen: Seit dem 29.7.2008 verrichte sie ihre berufliche Tätigkeit nur noch an einem PC. Ihre alte Lesebrille sei nicht mehr ausreichend. Sie zahle ihre Sehhilfe mit 30 Euro monatlich ab. Die Beklagte hat ua eingewandt, die Klägerin hätte sich eine kostengünstigere Brille anschaffen können. Das Sozialgericht (SG) hat durch Beschluss vom 21.10.2008 den Antrag der Klägerin auf Gewährung von PKH für das Klageverfahren abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Für das Klageverfahren fehle es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenübernahme nach § 16 Abs 2 SGB II, da sie nicht arbeitslos, sondern in das Erwerbsleben eingegliedert sei.
Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 17.11.2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Ein Anspruch auf eine Eingliederungsleistung dürfe ihr nicht wegen fehlender Arbeitslosigkeit verwehrt bleiben. Vielmehr könne sich ein solcher Anspruch auch unter dem Gesichtspunkt der Unterstützung und Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit ergeben.
II.
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige (vgl zur Zulässigkeit von Beschwerden gegen die Ablehnung der Bewilligung der PKH wegen fehlender Erfolgsaussicht der Klage, wenn der Beschwerdewert 750,-- € unterschreitet, Beschluss des Senats vom 10.6.2008 - L 5 ER 91/08 AS) Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, der Klägerin PKH für das Klageverfahren zu gewähren, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung - ZPO).
Die Klägerin hat bereits deshalb keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Brille als Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben, weil sie sich die Brille - spätestens am 15.11.2007 - selbst beschafft hat, ohne zuvor die Entscheidung der Beklagten über ihren Leistungsantrag abzuwarten. Bei dieser Sachlage ist gemäß § 15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) eine Kostenübernahme ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 SGB II anwendbar, weil der ...