Verfahrensgang

SG Koblenz (Beschluss vom 13.06.1994; Aktenzeichen S 2 U 270/92)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Sachverständigen Dr. M. wird der Beschluß des Sozialgerichts Koblenz vom 13.6.1994 insoweit aufgehoben, als ein 400,– DM übersteigendes Ordnungsgeld festgesetzt wurde. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Dem Sachverständigen sind die notwendigen Auslagen des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte zu erstatten.

 

Gründe

Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat im Klageverfahren S 2 U 270/92 im August 1993 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschlossen, ein Gutachten des Sachverständigen PrivDoz Dr. M. aus K. einzuholen. Im Januar und Februar 1994 ist der Sachverständige an die Gutachtenserstellung erinnert worden. Im März 1994 hat PrivDoz Dr. M. telefonisch um Genehmigung zusätzlicher Untersuchungen gebeten, die ihm vom Kammervorsitzenden des SG erteilt worden ist.

Mit Schreiben vom 22.4.1994 hat das SG PrivDoz Dr. M. aufgefordert, das Gutachten bis spätestens 20.5.1994 zu erstatten, und ihm für den Fall, daß diese Frist nicht eingehalten werde, ein Ordnungsgeld von bis zu 1.000,– DM angedroht. Mit Beschluß vom 13.6.1994 hat es dem Sachverständigen ein Ordnungsgeld von 800,– DM auferlegt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die am 23.6.1994 beim SG Koblenz eingelegte Beschwerde des Sachverständigen PrivDoz Dr. M.. Dieser hat Untersuchungsbefunde des Radiologen Dr. Ma. vom März und Mai 1994 vorgelegt und erklärt, er habe das Gutachten wegen dieser Zusatzuntersuchungen nicht fristgerecht erstatten können.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. In seinem Nichtabhilfebeschluß vom 29.6.1994 hat es ausgeführt, PrivDoz Dr. M. habe zwar wegen der Zusatzuntersuchungen sein Gutachten nicht bis zum 20.5.1994 fertigstellen können; die Zeit bis zum Erlaß des Ordnungsgeldbeschlusses habe aber zur Abfassung des Gutachtens ausgereicht.

Die Beschwerde ist nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 411 Abs. 2 Satz 4, 409 Abs. 2 Zivilprozeßordnung (ZPO) statthaft und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegt worden. Sie ist auch teilweise begründet.

Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 411 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann gegen den zur Erstattung des Gutachtens verpflichteten Sachverständigen, der die ihm zur Gutachtensvorlage gesetzte Frist versäumt, ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muß vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden (§ 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Der Sachverständige PrivDoz Dr. M. hat die ihm vom SG zur Erstattung des Gutachtens gesetzte Frist bis 1.3.1994 (Schreiben vom 3.2.1994) versäumt. Nachdem diese Frist abgelaufen war, durfte das SG mit Schreiben vom 22.4.1994 die Nachfrist bis 20.5.1994 setzen, wobei die Höhe des Ordnungsgeldes zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestimmt werden mußte (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 52. Auflage, § 411, Anm 4 A; Wieczorek, ZPO, 2. Auflage, § 411, Anm B II a 1). Der Anordnung einer erneuten ersten Frist vor der Nachfrist bedurfte es vorliegend nach der telefonischen Unterredung mit dem Sachverständigen am 7.3.1994, bei der sich der Kammervorsitzende des SG mit den von PrivDoz Dr. M. vorgeschlagenen weiteren Untersuchungen einverstanden erklärt hatte, nicht. Diese Genehmigung weiterer Untersuchungen hat nicht zur Folge, daß die zuvor vom SG gesetzte erste Frist bis 1.3.1994 nachträglich unwirksam wurde. Unabhängig davon wurde bei der Unterredung am 7.3.1994 Einigkeit darüber erzielt, daß das Gutachten voraussichtlich innerhalb einer bestimmten Frist, nämlich bis Ostern 1994, erstattet werde; bei dieser Sachlage würde das Erfordernis der nochmaligen Setzung einer ersten Frist eine sachlich nicht zu rechtfertigende Förmelei bedeuten.

Die Verhängung eines Ordnungsgeldes war nicht deshalb unzulässig, weil die Nachfristsetzung im Sinne des § 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht durch –beschwerdefähigen– Beschluß erfolgte. Der Senat vermag sich der Auffassung des OLG München (Beschluß vom 18.6.1980, VersR 1980, 1078; im Ergebnis ebenso: Müller, Der Sachverständige im gerichtlichen Verfahren, 5. Auflage, RdNr 437), daß insoweit ein beschwerdefähiger Beschluß notwendig sei, nicht anzuschließen.

Entgegen der Meinung des OLG München spricht die systematische Auslegung des § 411 Abs. 2 ZPO entscheidend dafür, daß der Gesetzgeber eine entsprechende Anwendung des § 409 Abs. 2 ZPO nur für die Festsetzung des Ordnungsgeldes, nicht aber für die Nachfristsetzung (§ 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO) anordnen wollte. Regelungsgegenstand des § 411 Abs. 2 ZPO ist die Festsetzung des Ordnungsgeldes, während die Nachfristsetzung in dieser Vorschrift ersichtlich nur als tatbestandliche Voraussetzung der Festsetzung, ohne eine selbständige rechtliche Entscheidung darzustellen, angeführt wird. Unter diesem Blickwinkel kann sich die entsprechende Anwendung des § 409 Abs. 2 ZPO (§ 411 Abs 2 Satz 4 ZPO) allein auf die Festsetzung des Ordnungsgeldes beziehen.

Der Sinn und der Zweck der Nachfristsetzung (§ 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO) gebieten keine andere Auslegung des § 411 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Die Auffass...

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