Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. aufschiebende Wirkung von Klage gegen Arzneimittelregress

 

Leitsatz (amtlich)

Die Klage gegen einen aufgrund einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten festgesetzten Arzneimittelregress hat aufschiebende Wirkung.

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 9.9.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

3. Der Streitwert wird, auch für die erste Instanz unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Mainz vom 9.9.2010, auf 2.453,11 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Umstritten ist, ob die Klage der Antragstellerin gegen einen Arzneimittelregress aufschiebende Wirkung hat; hilfsweise begehrt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage.

Der beigeladene Beschwerdeausschuss setzte durch Bescheid vom 2.3.2010 gegenüber der Antragstellerin, einer Vertragsärztin, aufgrund einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten für mehrere Quartale einen Regress fest, wobei auf die Quartale II bis IV/2005 ein Regress von 7.359,33 € entfiel. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 15.3.2010 beim Sozialgericht (SG) Mainz Klage erhoben.

Unter dem 11.8.2010 teilte die Antragsgegnerin (Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz - KÄV -) der Antragstellerin mit, sie werde deren Honorarkonto mit einem Betrag von 7.359,33 € belasten, da die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 2.3.2010 keine aufschiebende Wirkung habe. Am 19.8.2010 hat die Antragstellerin beim SG Mainz beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

Durch Beschluss vom 9.9.2010 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Arzneimittelregress für die Quartale II bis IV/2005 festgestellt und angeordnet, dass die Antragsgegnerin die auf dem Regress basierende Belastung des Honorarkontos der Antragstellerin rückgängig zu machen habe. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die grundsätzlich nach § 86a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestehende aufschiebende Wirkung der beim SG Mainz anhängigen Klage sei nicht nach § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V ausgeschlossen, da sich die Antragstellerin nicht gegen einen Honorarbescheid wende. § 106 Abs 5 Satz 7 SGB V greife ebenfalls nicht zugunsten der Antragsgegnerin ein. Wegen der ausdrücklichen Beschränkung dieser Vorschrift auf Honorarkürzungen erfasse sie nur Honorarberichtigungen aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der vertragsärztlichen Leistungen, nicht aber aufgrund eines Arzneimittelregresses oder wegen eines sonstigen Schadens (Hinweis auf SG Marburg 23.8.2007 - S 12 KA 316/07 ER). Die sofortige Vollziehbarkeit des Regressbescheides folge auch nicht aus § 106 Abs 5a Satz 11 SGB V. Denn der Bescheid vom 2.3.2010 beruhe nicht auf einer Richtgrößenprüfung, wie es nach dieser Vorschrift erforderlich sei, sondern auf einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten. Die Beklagte könne sich letztlich auch nicht auf die Übergangsregelung des Art 3 § 2 Satz 4 des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets (ABAG) stützen, da der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nach ihrer Überschrift auf Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die Jahre 2002 und 2003 beschränkt sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 17.9.2010 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, die vorträgt: Die Klage der Antragstellerin gegen den beigeladenen Beschwerdeausschuss habe keine aufschiebende Wirkung, auch wenn der Bescheid vom 2.3.2010 nicht auf einer Richtgrößenprüfung beruhe. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe die Klage gegen einen Regressbescheid bei allen Varianten der Wirtschaftlichkeitsprüfung keine aufschiebende Wirkung (Hinweis auf Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen 11.3.2003 - L 11 B 6/03 KA ER).

II.

Die nach §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die beim SG gegen den Beigeladenen erhobene Klage aufschiebende Wirkung hat.

Ist zweifelhaft, ob eine Klage aufschiebende Wirkung hat, ist auf Antrag entsprechend § 86b Abs 1 SGG die aufschiebende Wirkung festzustellen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rn 15). Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend erfüllt.

Die nach § 86a Abs 1 Satz 1 SGG grundsätzlich bestehende aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ist nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG). Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V kommt von vornherein nicht in Betracht, weil sich die Antragstellerin mit ihrer beim SG anhängigen Klage gegen den Beigeladenen nicht gegen die Honorarfestsetzung durch die Antragsgegnerin wendet.

§ 106 Abs 5 Satz 7 SGB V greift ebenfalls nicht zugunsten der Antragsgegnerin ein. Nach dieser Vorschrift hat die Klage gegen eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte Hono...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge