Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausapotheke. Bruttopreisvereinbarung gemäß § 129a S 1 SGB 5 bezüglich individuell hergestellter Zytostatika. rückwirkende Änderung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung bezüglich der Umsatzsteuerpflichtigkeit. ergänzende Vertragsauslegung zum Bestehen einer vertraglichen Verpflichtung der Rückzahlung des sich durch die geänderte Rechtsauffassung ergebenden umsatzsteuerlichen Differenzbetrages
Orientierungssatz
Erfolgt eine rückwirkende Änderung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zur Umsatzsteuerpflichtigkeit der Abgabe individuell hergestellter Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke, ergibt sich im Wege ergänzender Vertragsauslegung der zwischen dem Krankenhaus und der Krankenkasse maßgeblichen Arzneimittelpreisvereinbarung, dass das Krankenhaus zur Rückzahlung des Differenzbetrages verpflichtet ist, welcher sich aus dem Umsatzsteueranteil des vereinbarten Abgabepreises abzüglich der pauschal zu berechnenden Vorsteuer auf die Eingangsleistung des Krankenhauses ergibt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 05.12.2019 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen aus den vom Sozialgericht ausgeurteilten Beträgen jeweils in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen sind.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 296.422,86 € festgesetzt.
Tatbestand
Die klagende Krankenkasse begehrt im Berufungsverfahren die Rückzahlung von weiteren 296.422,86 € nebst Zinsen wegen ihres Erachtens zu Unrecht an die beklagte Krankenhausträgerin gezahlter Umsatzsteuer auf individuell hergestellte Arzneimittelzubereitungen in den Jahren 2010 bis 2016.
Die Beklagte ist Rechtsträgerin des nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen W. In der klinikumseigenen Apotheke stellte sie für Versicherte der Klägerin individuelle Zytostatika her, die zur ambulanten Behandlung der Versicherten durch Krankenhausärzte abgegeben wurden. Die Vergütung hierfür zahlte die Klägerin gemäß der über die Rechenzentrum AvP H GmbH erstellten Abrechnungen; an letztere waren die Vergütungsansprüche von der Beklagten im Wege des unechten Factorings abgetreten worden. Geregelt waren die Abrechnungsmodalitäten hinsichtlich des Leistungszeitraums vom 01.01.2010 bis zum 31.07.2010 in der gemäß § 129a SGB V zwischen dem Landesverband Deutscher Krankenhausapotheken Rheinland-Pfalz e.V. und ua dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. geschlossenen Vereinbarung über die Abgabe von Arzneimitteln der Krankenhausapotheke an Versicherte gemäß § 14 Abs. 4 Apothekengesetz (ApothG) vom 05.05.2004 (im Folgenden: AMPV 2004). Die Preisberechnung war gemäß § 5 AMPV 2004 wie folgt vorzunehmen:
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Pos. 1 |
AEK (Arzneimittel) ./. 2 % |
Pos. 2 + |
AEK (Trägerlösung) ./. 2 % |
Pos. 3 + |
AEK (Pumpe, Kassette, sonstige Applikationshilfen, z.B. Spezialinfusionssysteme) |
Pos. 4 + |
Mehrwertsteuer der Summe Pos. 1-3 |
Pos. 5 + |
Arbeitspreis |
Pos. 6 - |
Zuzahlung (pro Zeile). |
Die Preisberechnung für den Leistungszeitraum 01.08.2010 bis 31.12.2016 erfolgte nach Maßgabe der mit Wirkung ab 01.08.2010 zwischen dem Landesverband Deutscher Krankenhausapotheken Rheinland-Pfalz e.V. und ua dem Verband der Ersatzkassen e.V. geschlossenen Nachfolgevereinbarung (im Folgenden: AMPV 2010). In der Vereinbarung war u.a. geregelt:
„§ 6 Abs. 3
Bei Rezepturen sind den Krankenkassen folgende Abschläge auf die für den Tag der Abgabe maßgeblichen Apothekeneinkaufspreise gemäß ABDA-Artikelstamm/Lauer-Taxe zu gewähren:
-für patentfreie (generische) Fertigarzneimittel je Milligramm, Milliliter oder Internationale Einheiten ein Rabatt i.H.v. 30 % auf den Apotheken-EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 130a SGB V.
-für patentgeschützte Fertigarzneimittel je Milligramm, Milliliter oder Internationale Einheiten ein Rabatt in Höhe von 1 % auf den Apotheken-EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 130a SGB V. Abweichend von S. 1 wird bei monoklonalen Antikörpern ein Rabatt in Höhe von 0,5 % auf den Apotheken-EK gewährt sowie der Herstellerrabatt nach § 130a SGB V.
- für parenterale Calciumfolinatlösungen je Milligramm oder Milliliter ein Rabatt in Höhe von 45 % auf den Apotheken-EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 130a SGB V.
- für parenterales Natriumfolinatlösungen je Milligramm oder Milliliter ein Rabatt in Höhe von 30 % auf den Apotheken-EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 130a SGB V. Der Einsatz soll nur im Ausnahmefall erfolgen, wenn eine Anwendung von Calciumfolinat nicht möglich ist.
- für Trägerlösungen je Milligramm, Milliliter oder Internationale Einheiten ein Rabatt in Höhe von 45 % auf den Apotheken-EK sowie der aktuell gültige Herstellerrabatt nach § 130a SGB V.
Zzgl. zu den so ermittelten Preisen ist ein Arbeitspreis in Höhe von
-49 €...