Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. rechtzeitige Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei erneuter Einbestellung aufgrund einer überfüllten Praxis

 

Leitsatz (amtlich)

Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit setzt der weitere Anspruch auf Krankengeld nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V aF grundsätzlich die erneute ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit vor dem Ablauf des Zeitraums der letzten ärztlichen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit voraus. Eine ärztliche Feststellung der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit erst am Folgetag ist jedoch unschädlich, wenn der Versicherte die Arztpraxis rechtzeitig zur Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit aufsucht, dort aber wegen überfüllter Praxis auf den nächsten Tag einbestellt wird und die ärztliche Feststellung erst an diesem Tag erfolgt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.12.2016; Aktenzeichen B 3 KR 17/16 B)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 4.3.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 4.9.2014 bis zum 25.11.2014 zu zahlen hat.

2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist ein Anspruch des Klägers auf Krankengeld für die Zeit ab dem 4.9.2014 bis zum 25.11.2014.

Der 1965 geborene Kläger, bei der Beklagten krankenversichert, war beruflich als LKW-Fahrer tätig. Er war ab dem 14.4.2014 arbeitsunfähig erkrankt. Sein Beschäftigungsverhältnis endete am 31.5.2014. Die Beklagte gewährte ihm für die Zeit ab dem 1.6.2014 Krankengeld. Mit Schreiben vom 14.7.2014 teilte sie dem Kläger mit:

“… Da Ihr Beschäftigungsverhältnis zum 31.5.2014 geendet hat, wird Ihre Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund des Krankengeldbezugs aufrechterhalten.

Für das Weiterbestehen Ihrer Mitgliedschaft ist es unerlässlich, dass Ihre Arbeitsunfähigkeit durchgehend attestiert und nachgewiesen wird. Eine Nachweislücke würde zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes bzw der Notwendigkeit einer Weiterversicherung ohne Krankengeldanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V führen.

Der Gesetzgeber sieht vor, dass Ihr Arzt spätestens am letzten Tag der aktuellen Arbeitsunfähigkeit deren weitere Dauer bescheinigt. Sollte die Arbeitsunfähigkeit erst später ärztlich festgestellt werden, entfällt Ihre Mitgliedschaft und damit auch Ihr Krankengeldanspruch.

Wenn auf dem Auszahlschein im Feld “voraussichtlich bis„ ein konkretes Datum angegeben ist, ist ein Nachweis der lückenlosen Arbeitsunfähigkeit möglich und Ihr Versicherungsschutz besteht unverändert mit allen Vorteilen für Sie fort. Bitte achten Sie daher beim Ausfüllen durch Ihren Arzt darauf, damit eine reibungslose Krankengeldzahlung möglich ist.„

Der behandelnde Arzt Dr L attestierte dem Kläger zuletzt in seinem Auszahlschein für Krankengeld vom 8.8.2014 Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 3.9.2014. In der Zeit vom 19.8.2014 bis 20.8.2014 befand sich der Kläger wegen eines von dem Orthopäden Dr H durchgeführten operativen Eingriffs am rechten Ellenbogen in stationärer Behandlung im Krankenhaus M . In einem weiteren Auszahlschein vom 4.9.2014 bescheinigte Dr L fortbestehende Arbeitsunfähigkeit, wobei er als voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit “Ende September 26.9.2014?„ angab.

Mit Bescheid vom 9.9.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld für die Zeit ab dem 4.9.2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Krankengeldanspruch sei entfallen, weil das Fortbestehen weiterer Arbeitsunfähigkeit nicht spätestens am letzten Tag der vorherigen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit, dem 3.9.2014, erneut festgestellt worden sei. Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, er habe Dr L am 3.9.2014 aufgesucht. Der Kläger legte eine an diesem Tag ausgestellte Heilmittelverordnung vom 3.9.2014 vor. Der Facharzt für Orthopädie Dr H bescheinigte dem Kläger am 17.9.2014 durchgehend Arbeitsunfähigkeit seit dem operativen Eingriff. Behandelnde Ärzte des Klägers bescheinigten diesem am 26.9.2014 weitere Arbeitsunfähigkeit bis zum 7.10.2014, am 7.10.2014 bis zum 31.10.2014, am 29.10.14 bis zum 14.11.2014 und am 14.11.2014 bis zum 2.12.2014. Unter dem 13.10.2014 bestätigte Dr L , dass der Kläger am 3.9.2014 in seiner Praxis zur Behandlung gewesen sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 12.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 3.12.2014 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen: Am 3.9.2014 sei ihm in der Firma Orthopädie K GmbH der Gips am rechten Arm abgenommen und eine Ellenbogenschiene angepasst worden. An diesem Tag habe Dr L weitere Arbeitsunfähigkeit über den 3.9.2014 hinaus festgestellt. In der Praxis von Dr L habe am Vormittag des 3.9.2014 (Mittwoch) wegen dessen ab dem folgenden Wochenende bevorstehenden Urlaubs Hochbetrieb geherrscht. Dr L habe ihm noch die Verschreibung für sechs Krankengymnastikbehandlunge...

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