Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Durchschnittswerte. Einzelleistungsprüfung. Anscheinsbeweis. Offensichtliches Missverhältnis. Beurteilungsspielraum. Bestandskraft. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Prüfmethode bei Prüfung der gesamten ärztlichen Tätigkeit. Festlegung eines offensichtlichen Missverhältnisses durch Beschwerdeausschuss
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer statistischen Vergleichsprüfung nach § 106 Abs. 2 SGB V darf die Prüfstelle auf den Gesamtfallwert einer Arztpraxis abstellen. Eine Sparten- oder Einzelleistungsprüfung ist nicht erforderlich.
Normenkette
SGB V § 106 Abs. 2; SGG § 77
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 16.4.2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1). Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 durch den Beklagten hinsichtlich der Quartale II-IV/1998 sowie I-III/1999.
Die zu 1 beigeladene Gemeinschaftspraxis besteht aus zwei Zahnärzten für Oralchirurgie und einem Zahnarzt. Die Abrechnungswerte der Praxis stellten sich für die streitgegenständlichen Quartale im Vergleich zur Gruppe der im Bezirk der früheren Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) Koblenz-Trier (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2) abrechnenden Zahnarztpraxen mit der Zusatzbezeichnung Oralchirurgie wie folgt dar:
Der Prüfungsausschuss lehnte die von der Gemeinsamen Beratungs- und Prüfstelle der Orts-, Betriebs-, Innungs- und Landwirtschaftlichen Krankenkassen Rheinland-Pfalz sowie dem Verband der Angestellten-Krankenkassen/Arbeiterersatzkassenverband für die Prüfquartale II/1998 bis IV/1998 gestellten Anträge auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 durch Bescheid vom 19.8.1999 ab. Gegen diesen Bescheid legten die gemeinsame Beratungs- und Prüfstelle der Orts-, Betriebs-, Innungs- und Landwirtschaftlichen Krankenkassen Rheinland-Pfalz sowie der Verband der Angestellten-Krankenkassen eV /Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV Widerspruch ein.
Hinsichtlich der Prüfquartale I/1999 bis II/1999 stellten die Gemeinsame Beratungs- und Prüfstelle der Krankenkassen in Rheinland-Pfalz und der Verband der Angestellten-Krankenkassen eV/Ersatzkassen-Verband eV Prüfanträge. Für das Quartal III/1999 stellten die Klägerin, die BKK-IKK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz und der Verband der Angestellten-Krankenkassen eV/Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV Prüfanträge. Durch Bescheid vom 6.6.2000 lehnte der Prüfungsausschuss die Prüfanträge ab. Hiergegen legten der Verband der Angestellten-Krankenkassen eV/Arbeiterersatzkassen-Verband eV und die BKK-IKK-LKK Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz Widerspruch ein.
Der Beklagte beschloss, die beiden bei ihm anhängigen Verfahren zu verbinden. Er gab mit Bescheid vom 29.8.2001 den Widersprüchen betreffend die Quartale I-III/1999 teilweise statt und setzte einen Honorarregress von insgesamt 19.470,22 DM (= 9.954,97 €) fest; im Übrigen wies er die Widersprüche zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beigeladene zu 1 am 21.9.2001 Klage beim Sozialgericht (SG) Mainz (Az zunächst S 2 Ka 419/01 und später S 2 KA 309/05). Nachdem der Beklagte in seiner Sitzung am 20.10.2005 beschlossen hatte, den Bescheid vom 29.8.2001 durch einen neuen Bescheid zu ersetzen, wurde das sozialgerichtliche Verfahren für erledigt erklärt.
Unter dem 6.4.2006 (eingegangen bei der Klägerin am 10.4.2006) erließ der Beklagte einen erneuten Bescheid hinsichtlich der streitgegenständlichen Quartale. In diesem hob er den Bescheid vom 29.8.2001 auf und wies die Widersprüche gegen die Entscheidungen des Prüfungsausschusses zurück. Zur Begründung führte er aus: Wie schon in seinem vorangegangenen Bescheid habe er die Wirtschaftlichkeitsprüfung unter Zugrundelegung eines Vergleichs mit der Gruppe der Oralchirurgen im Bezirk der früheren KZÄV Koblenz-Trier durchgeführt. Als Praxisbesonderheiten seien bei der Beigeladenen zu 1 anzuerkennen: Überweisungspraxis, ausschließlich oralchirurgische Tätigkeit, Behandlungen in Narkose, Behandlung von Fällen mit überdurchschnittlich hohem Behandlungsbedarf. Bei der Beigeladenen zu 1 handele es sich um eine Praxis mit ungewöhnlich hohem Überweisungsanteil. Anhand der Karteikarten sei festzustellen, dass sich die bei der Beigeladenen zu 1 tätigen Ärzte bei den gezielten Aufträgen jeweils an den Überweisungsumfang gehalten hätten. Bei Überweisungsfällen mit festgelegtem Auftrag sei bei einer solchen Sachlage ohne weiteres ein wirtschaftliches Verhalten gegeben (Hinweis auf BSG 19.11.1985 - 6 RKa 13/84). Dennoch habe der Ausschuss diese Überweisungsfälle einer zusätzlichen Überprüfung unterzogen. Die Praxisbesonderheit "ausschließlich oralchirurgis...