Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. darlehensweise Leistungsgewährung. Tod des Leistungsberechtigten. Befugnis des Sozialhilfeträgers zur Geltendmachung des Darlehensrückforderungsanspruchs durch Verwaltungsakt. Verjährung. anwendbare Verjährungsvorschriften
Orientierungssatz
1. Ein Rückgewähranspruch aus einem gewährten Darlehen, der Grundlage einer Erblasserschuld ist, ist vom Sozialhilfeträger auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen (vgl BSG vom 11.9.2020 - B 8 SO 3/19 R = SozR 4-3500 § 102 Nr 4 RdNr 19). Er kann nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Darlehen durch Vertrag oder Verwaltungsakt bewilligt worden ist.
2. Es gilt die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB.
Tenor
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Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 27.01.2022 wird zurückgewiesen. |
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Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. |
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Die Revision wird zugelassen. |
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Der Streitwert wird endgültig auf 113.703,88 € festgesetzt. |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch um die Rückforderung von darlehensweise erbrachten Leistungen in Höhe von (i.H.v.) 80.000,00 €.
Die Kläger sind die unbekannten Erben der 1925 geborenen und am 18.08.2014 verstorbenen G K Sch (im Folgenden: Leistungsberechtigte). Die Leistungsberechtigte hatte in den Jahren 2007 bis 2014 von dem Beklagten Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) i.H.v. insgesamt 113.703,88 € erhalten. Die Leistungsbewilligung erfolgte durch Bescheide vom 09.07.2007 für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis zum 31.12.2007, vom 20.03.2008 für die Zeit bis zum 31.12.2008 und mit unbefristetem Bescheid vom 16.04.2009. Vor dem Hintergrund, dass die Leistungsberechtigte Eigentümerin eines Hausgrundstücks in H mit einer Wohnfläche von 100m2 war, erfolgte die Leistungsbewilligung jeweils darlehensweise. Regelungen zu den Modalitäten der Darlehensgewährung enthielten die Bescheide nicht.
Nach dem Tod der Leistungsberechtigten ordnete das Amtsgericht Germersheim mit Beschluss vom 29.08.2014 die Nachlasspflegschaft an und bestellte H Schu zum Nachlasspfleger. Das Hausgrundstück wurde zu einem Preis von 80.000,00 € verkauft. Zur Auszahlung auf das Nachlasskonto kam am 24.10.2017 ein Betrag i.H.v. 57.666,42 €, nachdem aus dem Erlös zuvor Verbindlichkeiten getilgt worden waren. Am 31.03.2020 betrug das Guthaben des Nachlasses noch 48.108,77 €.
Mit Bescheid vom 05.04.2018 forderte der Beklagte den Nachlasspfleger dazu auf, einen Betrag i.H.v. 113.703,88 € oder den noch verfügbaren Betrag zu überweisen. Zur Begründung trug er vor, dass für die verstorbene Leistungsberechtigte durch die damalige Betreuerin am 26.03.2007 Hilfe zur Pflege in Form eines Darlehens beantragt worden sei. Die Hilfe sei mit Bescheid vom 09.07.2007 ab dem 01.05.2007 bewilligt worden. In den Folgejahren sei die Hilfe immer wieder bis zum Tod der Leistungsberechtigten verlängert worden. Das Anwesen K str. 9 in H habe nach dem Ende der Hilfeleistungen für die darlehensweisen Aufwendungen des Beklagten eingesetzt werden sollen. Die Hilfe sei als erweiterte Hilfe gemäß § 19 Abs. 5 SGB XII gewährt worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Nachlasspfleger Widerspruch und machte geltend, eine darlehensweise Hilfegewährung und eine erweiterte Hilfegewährung nach § 19 Abs. 5 SGB XII schlössen sich gegenseitig aus.
Mit einem weiteren an „H Schu Betreuungen“ adressierten Bescheid vom 11.04.2018 deutete der Beklagte den Bescheid vom 05.04.2018 um und forderte den Betrag i.H.v. 113.703,88 € ohne Beschränkung auf einen noch verfügbaren Betrag unter Berufung auf die darlehensweise Hilfegewährung. Die Formulierung der „erweiterten Hilfegewährung“ sei versehentlich in den Ursprungsbescheid geraten.
Gegen den Bescheid vom 11.04.2018 erhob der Nachlasspfleger ebenfalls Widerspruch. Er machte geltend, der Ursprungsbescheid vom 09.07.2007 enthalte eine Befristung bis zum 31.12.2007 für die darlehensweise Hilfegewährung. Nach Ablauf der Befristung sei die Hilfe zur Pflege als Beihilfe gewährt worden. Dem Bescheid vom 09.07.2007 sei nicht zu entnehmen, dass es sich um ein Darlehen nach § 91 SGB XII handele. Darüber hinaus sei im Ursprungsbescheid weder die Höhe noch die Fälligkeit des Darlehens benannt. Ein Darlehensvertrag liege ebenfalls nicht vor.
Mit einem dritten an „H Schu Betreuungen“ adressierten Bescheid vom 20.09.2018 forderte der Beklage nochmals die Zahlung von 113.703,88 € und übersandte dem Nachlasspfleger die Bewilligungsbescheide vom 09.07.2007, 20.03.2008 und 16.04.2009.
Hiergegen erhob der Nachlasspfleger erneut Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2019 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten „den Widerspruch“ zurück. Aus dem Wortlaut der Bewilligungsbescheide vom 09.07.2007, 20.03.2008 und 16.04.2009 ergebe sich ohne vernünftigen Zweifel, dass die Hilfe ab dem 01.05.2007 in Form eines Darlehens gemäß § 91 SGB XII bewilligt worden sei. In allen drei Bescheiden werde ausdrück...