Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung. Einschätzungsprärogative des Krankenhausarztes. Prognoseentscheidung. gerichtliche Überprüfung
Orientierungssatz
1. Eine Krankenhausbehandlung ist notwendig, wenn sie aus der vorausschauenden Sicht des Krankenhausarztes unter Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten oder erkennbaren Umstände vertretbar ist, dh nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt. Im Zweifel kommt es auf die Prognose des behandelnden Arztes an (vgl zuletzt BSG vom 7.7.2005 - B 3 KR 40/04 R = GesR 2005, 558).
2. Die Prognoseentscheidung eines Krankenhausarztes ist im Hinblick darauf gerichtlich zu überprüfen, ob sie mit der allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung, mit medizinischen Standards sowie mit sonstigen, den Leistungsanspruch des Versicherten konkretisierenden Vorschriften des Krankenversicherungsrechts in Einklang steht. Hierzu gehört auch das Wirtschaftlichkeitsgebot (vgl BSG vom 16.2.2005 - B 1 KR 18/03 R = BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4).
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt in L ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Vertragskrankenhaus. Die 1961 geborene Versicherte V Sch wurde aufgrund einer Einweisung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W, B, vom 07.03.2002 (Diagnosen: Psychosomatischer depressiver Erschöpfungszustand; Burn-out-Syndrom; Infektanfälligkeit) in der Zeit vom 03.04. bis zum 04.05.2002 in der Internistisch-Psychosomatischen Abteilung der Klinik der Klägerin stationär behandelt. In der ärztlichen Verordnung ist die Klinik der Klägerin ausdrücklich benannt. In der Aufnahmeanzeige vom 04.04.2002 gab die Klägerin "Angst- und depressive Störung, gemischt" als Aufnahmediagnose an; als voraussichtliches Ende der Behandlung nannte sie den 01.05.2002. Die Beklagte gab eine Kostenübernahmeerklärung bis zum 19.04.2002 ab. Mit Schreiben vom 10.04.2002 beantragte die Klägerin die Verlängerung der stationären Behandlung. Der Oberarzt Dr. K und die Stationsärztin Dr. St führten in ihrer Begründung vom 15.04.2002 aus, die Versicherte werde wegen einer depressiven Reaktion und Ängsten sowie einer chronisch rezidivierenden Infektanfälligkeit bei neurasthenischer Konstitution im Sinne einer Psychosomatose behandelt. Die Beklagte holte eine Stellungnahme bei Dr. D, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), vom 17.04.2002 ein, die feststellte, es bestehe keine Indikation für eine stationäre Behandlung in der Klinik der Klägerin; die Methode der Wahl wäre eine ambulante und bei eventuellem Bedarf eine stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung. Mit Schreiben vom 22.04.2002 lehnte die Beklagte daraufhin die Übernahme der Kosten für den stationären Aufenthalt über den 19.04.2002 hinaus ab. Die Klägerin legte eine Stellungnahme des Oberarztes Dr. K und der Stationsärztin Dr. St vom 24.04.2002 vor, die ausführten, das Krankheitsbild sei weiterhin so akut, dass eine ambulante Behandlung nicht ausreiche. Es würden Anteile einer selbstunsicheren Persönlichkeit deutlich. Es sei das Behandlungsziel, neben einer akuten Stabilisierungsarbeit eine dauerhafte Compliance für die hausärztliche und therapeutische Behandlung zu erreichen. Die Ärztin für Neurologie - Psychotherapie, Sozialmedizin Dr. H-H, MDK, führte hierzu in ihrer Stellungnahme vom 06.05.2002 aus, nach den vorliegenden Unterlagen ergebe sich der Verdacht auf eine chronische Erkrankung, die wahrscheinlich das Leistungsvermögen der Klägerin im Erwerbsleben bedrohe. In Anbetracht der erheblichen, wahrscheinlich chronifizierten psychischen Störungen sei eine Behandlung in dem anthroposophischen Fachkrankenhaus mit Heileurythmie und Sprachgestaltung keine geeignete Therapie. Im Entlassungsbericht vom 14.05.2002 teilten der Chefarzt Dr. B und die Stationsärztin Dr. St mit, die Versicherte habe vor sechs Wochen eine "Kopfgrippe" mit hohem Fieber, ausgeprägter Kreislaufschwäche und Schweißausbrüchen gehabt. Die grippebedingten Schweißausbrüche hätten zu massiv verstärkten Ängsten geführt, die sie von ihrer früheren Geschichte her gekannt habe. Es werde von einem durch den schweren Infekt und die beschriebenen Körpersymptome aktualisierten Konflikt auf der Ebene von Abhängigkeit/Autonomie mit dem Leitaffekt der Angst, die um den Grundbestand der Selbständigkeit kreise, ausgegangen. Die Versicherte habe in deutlich stabilisiertem Zustand entlassen werden können. Die MDK-Ärztin R, Ärztin für Anästhesie, Allgemeinmedizin, Psychotherapie und Sozialmedizin, vertrat die Auffassung, es habe keine Akutbehandlung vorgelegen.
Die Beklagte zahlte lediglich die Kosten für die Behandlung bis zum 18.04.2004 in Höhe von 2.241,36 €. Die Bezahlung der Rechnung vom 04.09.2002 über 2.219,70 € für die weitere Behandlung vom 19.04. bis zum 03.05.2002 ...