Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Fallzusammenlegung. fiktives wirtschaftliches Verhalten. Aufwandspauschale
Orientierungssatz
1. Hat ein Krankenhaus sachgerechte Gründe dafür, einen Versicherten zunächst zu entlassen und später wieder aufzunehmen, liegt keine Fallzusammenführung iS des § 2 der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser aus 2010 (juris: KFPVbg 2010) vor. Des Weiteren kann die Krankenhausvergütung auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens von der Krankenkasse gekürzt werden (vgl ua BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 6/15 R = BSGE 118, 219 = SozR 4-2500 § 109 Nr 43.
2. Führt eine Prüfung nicht zu Minderung des Abrechnungsbetrages, ist ein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 gegeben.
3. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG wirkungslos.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 07.10.2014 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens in beiden Rechtszügen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind ein Anspruch der Klägerin auf weitere Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 1.489,86 € sowie ein Anspruch auf eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 €.
Die Klägerin ist Trägerin des nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Klinikums W , in dem in der Zeit vom 12.04.2010 bis 15.04.2010 sowie in der Zeit vom 18.04.2010 bis 29.04.2010 die bei der Beklagten versicherte M P (Versicherte) behandelt wurde. Am 12.04. wurden wegen eines suspekten Endometriums eine diagnostische Hysteroskopie und eine fraktionierte Abrasio durchgeführt. Der histologische Befund ergab die Notwendigkeit einer Operation. Ausweislich des Arztbriefs vom 15.04.2010 wurde die Versicherte am 15.04.2010 beschwerdefrei in die ambulante Weiterbehandlung entlassen. Es wurde eine Wiederaufnahme für den 18.04.2010 zur Operation am Folgetag vereinbart. Am 19.04.2010 wurde eine abdominelle Hysterektomie mit Adnexektomie beidseits bei Endometriumkarzinom durchgeführt. Mit Rechnung vom 19.04.2010 forderte die Klägerin von der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG N10Z einen Betrag von 1.449,86 € für die Behandlung in der Zeit vom 12.04.2010 bis 15.04.2010; mit Rechnung vom 03.05.2010 forderte sie unter Zugrundelegung der DRG N03B einen Betrag von 5.724,35 € für die Behandlung vom 18.04.2010 bis 29.04.2010. Die Beklagte beglich die Rechnungen zunächst und bat den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) um Überprüfung der stationären Behandlung vom 12.04.2010 bis zum 15.04.2010 (Prüfanzeige vom 12.05.2010). Der Arzt im MDK Dr. D gelangte in seinem Gutachten vom 08.06.2010 zu dem Ergebnis, die Entlassung wäre bereits ab dem 14.04.2010 möglich gewesen. Zum Zeitpunkt der Entlassung sei die Behandlung der Versicherten noch nicht beendet gewesen. Es habe die Notwendigkeit einer Operation bestanden. Eine akute vollstationäre Behandlung sei zum möglichen Entlassungszeitpunkt aber nicht erforderlich gewesen. Nach der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) handele es sich weder um eine Fallzusammenführung wegen Partitionswechsels noch um eine Komplikation und bei Karzinomerkrankung auch nicht um eine Zusammenführung innerhalb der gleichen Basis-DRG. Die leistungsrechtliche Würdigung obliege der Krankenkasse. Unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK korrigierte die Beklagte die Rechnungen manuell und führte mit Schreiben vom 05.08.2010 aus, es handele sich vorliegend um eine Beurlaubung nach § 1 Abs. 7 Nr. 5 FPV, so dass die gesplitteten Fälle als ein Fall abzurechnen seien. Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 08.09.2010 gegen diese Einschätzung und führte aus, die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung seien nicht gegeben. Am 11.08.2012 verrechnete die Beklagte den Betrag von 1.489,86 € mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin.
Am 15.11.2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mainz erhoben und die noch streitige Vergütung sowie eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung seien nicht gegeben. Insbesondere liege keine Beurlaubung im Sinne des § 1 Abs. 7 FPV 2010 vor. Eine zeitlich befristete Entlassung aus rein organisatorischen Gründen sei keine Beurlaubung (Hinweis auf LSG Rheinland-Pfalz 01.07.2010 - L 5 KR 252/09). Durch Urteil vom 07.10.2014 hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin 1.489,86 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.08.2012 sowie 300,00 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.11.2012 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung nach § 2 FPV 2010 seien nicht erfüllt. Eine einheitlich...