Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. sozialversicherungsrechtlicher Status. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer in einer Familiengesellschaft. Vertrauensschutz
Orientierungssatz
1. Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit als Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer in einer Familiengesellschaft.
2. Kein Prozessbeteiligter kann darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (vgl BVerfG vom 05.11.2015 - 1 BvR 1667/15, RdNr 12, mit weiteren Nachweisen)
3. Ein begründeter Vertrauenstatbestand, den der Beitragsschuldner einer im Wege einer Betriebsprüfung geltend gemachten Beitragsnachforderung entgegenhalten kann, kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn die vom Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten, eine konkret-individuelle Verwaltungsentscheidung zum sozialversicherungsrechtlichen Status des Auftragnehmers herbeizuführen, nicht in Anspruch genommen werden (vgl. LSG Essen vom 27.06.2018 - L 8 R 884/17, RdNr 196).
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 12.10.2017 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 59.533,32 € festgesetzt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung der Beklagten infolge einer Betriebsprüfung.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für Installation und Reparatur von Heizungs- und Sanitäranlagen sowie den Handel mit Heizungsbau- und Sanitärmaterial. Sie wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 15.10.1992 gegründet und anschließend in das Handelsregister eingetragen (Amtsgericht Kaiserslautern, HRB 2716). Das Stammkapital beträgt 50.000 DM. Gesellschafter der Klägerin sind der Beigeladene zu 1) (geboren 1956), Heizungs- und Sanitärinstallationsmeister, mit einer Stammeinlage in Höhe von 24.500 DM und die mit dem Beigeladenen zu 1) verheiratete Beigeladene zu 2) (geboren 1960), Hausfrau sowie Buchhalterin bei der Klägerin, mit einer Stammeinlage in Höhe von 25.500 DM. Die Klägerin entstand aus einem 1985 gegründeten Einzelunternehmen des Beigeladenen zu 1). Der Beigeladene zu 1) ist alleiniger Geschäftsführer der Klägerin und als solcher einzelvertretungsberechtigt mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Gegenstand des notariellen Gesellschaftsvertrages vom 15.10.1992 ist die Satzung der Klägerin vom 15.10.1992. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 der Satzung werden Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit zwingende gesetzliche Vorschriften oder der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsehen. Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedürfen nach Satz 3 der Regelung der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Nach § 8 Abs. 2 der Satzung gewähren jede 100 DM eines Gesellschaftsanteils eine Stimme. Abweichende Regelungen zu den erforderlichen Mehrheitsverhältnissen enthält der Gesellschaftsvertrag nicht. Hinsichtlich der weiteren Regelungen wird auf den Gesellschaftsvertrag der Klägerin einschließlich der Satzung Bezug genommen (Blatt II 55 bis Blatt II 66 der Verwaltungsakte).
Am 01.12.1992 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen Pachtvertrag, durch den der Beigeladene zu 1) seinen Heizungsbau- und Sanitärinstallationsbetrieb in K an die Klägerin verpachtet. Pachtgegenstand ist das gesamte, im Eigentum des Beigeladenen zu 1) stehende Anlagevermögen (betrieblich genutzter Grundstücksteil, Betriebsvorrichtungen, Betriebs- und Geschäftsausstattung und Ladeneinrichtung etc.). Der Pachtvertrag verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Vertragsablauf gekündigt wird. Das Recht beider Parteien, das Pachtverhältnis fristlos aus wichtigem Grunde zu kündigen, ist unberührt. Hinsichtlich der weiteren Regelungen wird auf den Pachtvertrag Bezug genommen (Blatt II 20 bis Blatt II 27 der Verwaltungsakte).
Ebenfalls am 01.12.1992 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen Geschäftsführervertrag. Nach § 1...