Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Kodierung der Nebendiagnose bei versehentlich aufgetretener intraoperativer Verletzung nach dem ICD-10-GM

 

Leitsatz (amtlich)

Eine intraoperativ versehentlich aufgetretene Verletzung ist nicht mit einem Kode aus der Kategorie T80 - T88 zu verschlüsseln, wenn die Verletzung spezifischer mit einem Kode einer anderen Kategorie (hier: S27.6) in Kombination mit einem Sekundär-Diagnoseschlüssel (hier: Y69!) angegeben werden kann.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 14.02.2017 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über (weitere) Krankenhausvergütung in Höhe (iHv) 6.656,28 €.

Die bei der Beklagten versicherte Patientin V R (im Folgenden: Versicherte), geboren am … 1945, wurde in dem Zeitraum vom 26.10.2014 bis 06.11.2014 stationär in der Klinik für Urologie und Kinderurologie des gemäß § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses der Klägerin aufgrund eines Nebennierenrindenkarzinoms behandelt; es erfolgte eine Nephrektomie rechts, Pleuraresektion und Peritonealresektion. Intraoperativ wurde versehentlich die Pleura (Brustfell) eröffnet und sogleich wieder durch eine Naht verschlossen.

Die Klägerin stellte der Beklagten mit Rechnung vom 21.11.2014 für den stationären Aufenthalt insgesamt 11.699,84 € (DRG ≪Diagnosis Related Groups≫ K09A: Andere Prozeduren bei endokrinen, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten mit hochkomplexem Eingriff oder mit bestimmtem Eingriff und Alter ≪ 7 Jahre oder äußerst schwere CC) in Rechnung. Dabei wurde ua die Nebendiagnose T81.2 (Versehentliche Stich- oder Risswunde während eines Eingriffes, anderenorts nicht klassifiziert) abgerechnet. Die Beklagte zahlte die Rechnung zunächst vollständig, nahm am 20.04.2015 jedoch eine Verrechnung iHv 6.656,28 € mit einem zwischen den Beteiligten unstreitigen Behandlungsfall vor.

Der seitens der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) gelangte durch den Facharzt für Chirurgie und Arzt im MDK Dr. K in einer Stellungnahme vom 25.03.2015 zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose T81.2 nicht korrekt kodiert sei. Die Verletzung der Pleura könne mit dem Kode S27.6 (Verletzung sonstiger und nicht näher bezeichneter intrathorakaler Organe, Verletzung der Pleura) spezifischer kodiert werden.

Der Einschätzung des MDK widersprach die Klägerin durch eine Stellungnahme vom 25.03.2015. Zwar handele es sich letztendlich um eine “Verletzung„ der Pleura, der seitens des Krankenhauses gewählte Kode bilde die Störung insgesamt jedoch spezifischer ab. Dieser Kode spiegele wieder, dass es sich 1. um eine Komplikation bei einem Eingriff (Kapitelüberschrift) und 2. um eine intraoperativ aufgetretene Verletzung handele, die 3. versehentlich entstanden sei und es sich 4. um eine Risswunde handele. In einem Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Mainz (S 16 KR 30/13), in welchem ebenfalls eine unterschiedliche Sichtweise bezüglich Erkrankungs- versus Komplikationskode vorgelegen habe, sei der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, dass der Komplikationskode die Störung spezifischer abbilde als der Erkrankungskode; die beklagte Krankenkasse habe sodann ein Anerkenntnis abgegeben. Grundsätzlich sei so spezifisch wie möglich zu kodieren. Dementsprechend wäre, werde dem MDK gefolgt, in dem vorliegenden Fall der Kode S27.6 als Nebendiagnose zusätzlich zu kodieren. Nur so sei es möglich, den Gesundheitszustand und das Erkrankungsbild bzw die Art und Ätiologie der eingetretenen Schädigung vollständig zu beschreiben. In den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) fänden sich an vielen Stellen Beispiele, die diese Sichtweise untermauerten und in denen auf Nebendiagnoseebene zusätzlich spezifischere Kodes angegeben würden, wenn diese eine genauere Spezifizierung bzw Beschreibung des Gesundheitszustandes erlaubten. Genau dieser Forderung werde der Kode T81.2 als Nebendiagnose gerecht. Auch seien die Nebendiagnosekriterien an sich gemäß DKR D003 vorliegend unzweifelhaft erfüllt.

Der seitens der Beklagten erneut eingeschaltete MDK führte durch den Arzt im MDK K in einer Stellungnahme vom 16.04.2015 aus, dass durch den Kode S27.6 nicht nur die Verletzung abgebildet werde, sondern auch der Ort der Komplikation, nämlich die Pleura. Daher sei dieser Kode spezifischer als der Kode T81.2. Eine Doppelkodierung mittels T81.2 und S27.6 sei in den DKR nicht beschrieben.

Am 15.10.2015 hat die Klägerin Klage vor dem SG Mainz erhoben. Die Kodierung T81.2 sei unspezifisch im Hinblick auf die Lokalisation der versehentlichen Verletzung, gebe jedoch die Art der Verletzung und die Art der Verursachung (medizinische Maßnahme) spezifisch an. Die von dem MDK präferierte Kodierung mit S27.6 beschreibe hingegen die Lokalisation (Pleura) und die Art der Erkrankung (Verletzung) wesensgemäß, stelle jedoch weder die Art der Verletz...

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