Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütungsanspruch des Krankenhauses wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung. Krankenkasse. Auslegung von Vergütungsregelungen. Verpflichtung zur zeitnahen Prüfung der Krankenhausrechnung. Korrektur einer Schlussrechnung durch ein Krankenhaus. kein Ausschluss der Aufrechnung mit daraus resultierender Erstattungsforderung bei späterer Prüfung und Übersteigen der Bagatellgrenze. Kodierung. Sechs-Wochen-Frist. Treu und Glauben. Amtsermittlung
Orientierungssatz
1. Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Auslegungsregelungen anzuwenden (hier: Ansatz des OPS-Kodes 5-790.9 e für die operative Versorgung der Schenkelhalsfraktur eines Versicherten mittels DHS und zusätzlicher Antirotationsschraube) (vgl BSG vom 18.9.2008 - B 3 KR 15/07 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 11).
2. Die in § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 geregelte Sechs-Wochen-Frist für die Einleitung einer MDK-Prüfung der Krankenhausabrechnung betrifft nur die dritte Stufe des bis zu dreistufigen Prüfverfahrens (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R = BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24 und vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 1).
3. Daraus folgt, dass die Rechnungskontrolle auf den beiden ersten Prüfebenen unabhängig hiervon erfolgt. Die Wahrnehmung der dabei anfallenden Prüftätigkeit ist den Krankenkassen indes nicht freigestellt; sie sind - ebenso wie die Krankenhäuser - grundsätzlich zur beschleunigten Rechnungsabwicklung verpflichtet, woran sich durch die Einführung des § 275 Abs 1c SGB 5 nichts geändert hat (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R aaO).
4. Die Korrektur einer Schlussrechnung durch ein Krankenhaus kann nach Ablauf einer Frist von sechs Wochen seit Rechnungsstellung gegenüber der Krankenkasse nur noch dann korrigiert werden, wenn der Nachforderungsbetrag erstens in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 über 100 Euro (ab 25.3.2009: über 300 Euro) liegt und er zweitens mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswerts erreicht (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R = BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20).
5. Eine Krankenkasse kann aufgrund einer nicht zeitnah durchgeführten Prüfung einer Krankenhausrechnung eine Aufrechnung mit der daraus resultierenden Erstattungsforderung vornehmen, wenn die vom BSG entwickelte Bagatellgrenze überschritten wird (vgl LSG Saarbrücken vom 19.10.2011 - L 2 KR 55/09).
Normenkette
SGB V § 109 Abs. 4 S. 3, § 275 Abs. 1c S. 2, § 301 Abs. 2 S. 2; KHEntgG § 7 S. 1 Nr. 1, § 9; SGG § 103
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 19.07.2011 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist eine nachträgliche Kürzung von Krankenhausbehandlungskosten durch die Krankenkasse.
Die Klägerin ist Trägerin des nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen M.-klinikums B. . Dort wurde der bei der Beklagten krankenversicherte H (Versicherter) vom 26.01.2008 bis 11.02.2008 wegen einer Schenkelhalsfraktur (S 72.01 ICD 10) stationär behandelt; der Bruch wurde mit einer dynamischen Hüftschraube (DHS) und zusätzlich mit einer Antirotationsschraube versorgt. Das Krankenhaus bildete diese Art der Versorgung über zwei separate OPS-Schlüssel (Version 2008) ab, nämlich den OPS-Kode 5-790.8 e (Geschlossene Reposition einer Fraktur oder Epiphysenlösung mit Osteosynthese: Durch dynamische Kompressionsschraube: Schenkelhals) und den OPS-Kode 5-790.0 e (Geschlossene Reposition einer Fraktur oder Epiphysenlösung mit Osteosynthese: Durch Schraube: Schenkelhals) und berechnete deshalb für den Krankenhausaufenthalt die resultierende DRG I 08 C (Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, komplexer Prozedur, komplexer Diagnose oder äußerst schweren CC). Auf dieser Grundlage stellte die Klägerin am 14.02.2008 einen Betrag in Höhe von 7.087,86 € in Rechnung, den die Beklagte am 29.02.2008 zunächst in voller Höhe beglich. Auf Grund einer Auskunft des Deutschen Instituts für M. (DI.) vom 13.10.2008, wonach der Kode für die Materialkombination bei Frakturosteosynthesen immer dann anzugeben sei, wenn bei einem Eingriff an einer Lokalisation und einem Zugang mehrere Osteosyntheseverfahren eingesetzt wurden, wandte sich die Beklagte erstmals mit Schreiben vom 01.04.2009 an das Krankenhaus und machte geltend, aus den übermittelten Daten des Abrechnungsfalles gehe hervor, dass bei der operativen Versorgung der Fraktur kombinierte Osteosyntheseverfahren mit unterschiedlichen Materialien verwandt worden seien, die nicht über Einzelkodes, sondern laut DI. mit dem Kode für die Materialkombination zu verschlüsseln seien. Es werde daher um Gutschrift der bereits gezahlten Rechnung sowie entsprechende Neuberechnung mit Materialkombination gebeten. Unter Hinweis...