Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch des Versicherten auf Gewährung einer Magenbandoperation
Orientierungssatz
1. Nach den maßgeblichen medizinischen Leitlinien ist bei einem Versicherten mit einem Body Mass Index (BMI) zwischen 35 und 40 kg/qm ohne Kontraindikationen und mit wenigstens einer Adipositas-assoziierten Folge- bzw Begleiterkrankung eine chirurgische Therapie in der Gestalt einer Magenbandoperation indiziert, wenn die konservative Therapie erschöpft ist.
2. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten gelten dann als erschöpft, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von sechs bis zwölf Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten wurde. Dies gilt dann nicht, wenn die Erfolglosigkeit der konservativen Therapie auf die mangelnde Teilnahme oder Motivation des Versicherten zurückzuführen ist.
3. Der Krankenversicherungsträger ist verpflichtet, dem Versicherten die beantragte Magenbandoperation zu gewähren, wenn diese nach Art und Schwere der Erkrankung, der Dringlichkeit der Intervention, der gegebenen Risiken und dem zu erwartenden Nutzen als ultima ratio notwendig ist.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 24.10.2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.12.2011 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Magenbandoperation zu gewähren.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist ein Anspruch auf Gewährung einer Magenbandoperation.
Der 1965 geborene Kläger, bei der Beklagten krankenversichert, beantragte im März 2011 die Gewährung einer operativen Magenverkleinerung. Zur Begründung machte er geltend: Sein Körpergewicht betrage 146 kg bei einer Körpergröße von 193 cm (BMI 39,2). Er habe in den letzten Jahren unzählige Versuche unternommen, sein Übergewicht durch Diäten in den Griff zu bekommen. Auch verschreibungspflichtige Medikamente hätten nicht den gewünschten Erfolg gebracht. In den Jahren 2009 und 2010 habe er erfolglos an einem von der Beklagten mit einem Zuschuss geförderten einjährigen Mobilis-Programm in der Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin des Universitätsklinikums F. (multimodales Konzept) zur Gewichtsreduzierung teilgenommen. Er versuche auch nach Beendigung des Programms, sich sportlich zu betätigen (einmal wöchentlich ca eine Stunde Spazierengehen; einmal wöchentlich ca eine Stunde Radfahren). In einem Attest der den Kläger behandelnden Ärzte Dres M./S. vom April 2011 heißt es, aus haus- und sportärztlicher Sicht sei eine chirurgische Intervention zur Gewichtsreduktion dringend angezeigt, da auch der Bewegungsapparat betroffen sei, insbesondere durch schwerste Knorpelschäden an beiden Kniegelenken; außerdem bahne sich ein metabolisches Syndrom an. Zur Begründung legte der Kläger ferner ein ausführliches Arztschreiben von Prof Dr D. (Leiterin des Adipositaszentrums des Klinikums M. T.) vom Mai 2011 vor, worin es hieß: Begleiterkrankungen der Adipositas seien beim Kläger ein Hypertonus, eine Dyslipidämie, eine Fettleber, ein Schlafapnoesyndrom, eine Hyperurikämie sowie eine Gonarthrose beidseits; zudem bestehe eine hormonell bedingte erektile Dysfunktion. Der Kläger habe "hervorragend" an dem einjährigen Mobilis-Programm teilgenommen, außerdem an einem weiteren multimodalen Programm in einem Fitness-Center. Mit dem multimodalen Therapiekonzept habe er sein Essverhalten deutlich umgestellt. Ein sweet eating bzw ein sweet drinking bestünden nicht. Es komme immer wieder zu Jojo-Effekten. Ein Gutachten der leitenden Diplom-Psychologin des Klinikums, Frau B., zeige entsprechend den aktuellen Leitlinien zur chirurgischen Therapie der Adipositas keine Bedenken gegen eine Operation; auch psychologischerseits sei diese dringend indiziert. Der Kläger habe die konservativen multimodalen Therapiemöglichkeiten der Adipositasbehandlung ausgeschöpft. Bei entsprechender Gewichtsreduktion würden sich die Begleiterkrankungen und Beschwerden des Klägers deutlich bessern. Der Kläger zeige eine deutliche Motivation zur Gewichtsreduktion. Die erforderliche Compliance sei gegeben. Die operative Behandlung sei im Sinne der Ultima ratio indiziert.
Die Ärztin im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Dr M. führte in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom Juli 2011 aus: Die fehlende Gewichtsabnahme im Rahmen des Mobilis-Programms spreche gegen eine hohe Compliance. Aus dem vorgelegten Freiburger Ernährungsprotokoll ergebe sich, dass der Kläger weiterhin hochkalorische/energiedichte Nahrungsmittel bevorzuge, Außerdem fehle die Durchführung eines strukturierten Bewegungsprogramms im Sinne eines Ausdauer-/Krafttrainings nach Abschluss des Mobilis-Programms. Von einer ausreichenden Motivation und Compliance für einen adipositaschirurgischen Eingriff sei nicht auszugehen. Die vom Kläger angegebene Refluxkrankheit sei ein...