Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Laborreform. Einheitlicher Bewertungsmaßstab. Veränderung des Punktwertverhältnisses. Honorarverteilungsmaßstab. Gemeinschaftspraxis. Beendete Gesellschaft. Laborleistungen. Einheitliches Honorarkontingent
Leitsatz (amtlich)
1. Die Festlegungen des EBM-Ä hinsichtlich der sog Laborreform sind rechtmäßig (Anschluss an BSG vom 11.10.2006 - B 6 KA 46/05 R).
2. Die Kassenärztliche Vereinigung ist nicht berechtigt, in ihrem Honorarverteilungsmaßstab eine Bestimmung aufzunehmen, in welcher das im EBM-Ä anlässlich der Laborreform festgelegte Verhältnis der Punktwerte zueinander grundlegend verändert wird.
Normenkette
SGB V § 85 Abs. 4, § 87 Abs. 1-2
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 01.12.2004 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Honorarbescheides vom 17.4.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2001 verpflichtet, über den Honoraranspruch der Klägerin für das Quartal IV/1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
2. Die Klägerin hat der Beklagten 4/5 der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten, die Beklagte hat der Klägerin 1/5 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt für das Quartal II/1999 höheres Honorar, weil dieses durch die sog. Laborreform unangemessen gesunken und der maßgebende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der früheren Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Koblenz rechtswidrig sei.
Die Klägerin, eine frühere Gemeinschaftspraxis mit zwei Fachärztinnen für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin, war im streitigen Quartal im Bezirk der früheren KÄV Koblenz, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist (zukünftig: Beklagte), tätig.
Mit Honorarbescheid vom 17.4.2000 setzte die Beklagte das der Klägerin für das Quartal IV/1999 zustehende Honorar, ausgehend von dem HVM (gemäß Beschluss der Vertreterversammlung vom 25.8.1999) fest. In dem HVM hatte sie die mit Wirkung ab dem 1.7.1999 neu gefassten Bestimmungen des Kapitels O des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM-Ä) zugrunde gelegt (sog Laborreform). Mit der “Laborreform„ waren insbesondere veranlasserbezogene Budgets für Vertragsärzte eingeführt und die Vergütung in die Bausteine Laborgrundgebühr, Honorar für die wirtschaftliche Erbringung und/oder Veranlassung von Leistungen des Kapitels O (Wirtschaftlichkeitsbonus) sowie Kosten für Laboratoriumsmedizin gegliedert worden.
Die Klägerin legte gegen den Honorarbescheid Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie auf den infolge der Laborreform 1999 eintretenden Umsatzrückgang aufmerksam machte. Durch Widerspruchsbescheid vom 17.5.2001 (zur Post gegeben am 31.5.2001) wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Zur Begründung wurde ausgeführt: Gegen die Einführung der sog Laborreform bestünden keine rechtlichen Bedenken. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits mehrfach festgestellt, dass der Bewertungsausschuss zur Einführung mengenbegrenzender Maßnahmen berechtigt sei. Der Honorarrückgang bei der Klägerin sei zu einem wesentlichen Teil auf den Rückgang der Fallzahlen zurückzuführen. Der Bewertungsausschuss sei seiner Beobachtungs- und Korrekturverpflichtung unter Berücksichtigung der ihm zustehenden Erprobungsphase bereits im 1. Quartal 2000 nachgekommen.
Am 18.6.2001 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Ihr Honorar sei im Quartal IV/99 im Verhältnis zum Vorjahresquartal um 50,7 % zurückgegangen. Der Bewertungsausschuss habe den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten. Dies ergebe sich schon daraus, dass er infolge des eingetretenen Honorarrückgangs ab dem 1.1.2000 einen Pauschalaufschlag von 24 vH auf sämtliche Kostenerstattungen gewährt und weitere Ausnahmeregelungen in den EBM-Ä aufgenommen habe. Die Voraussetzungen eines Erprobungsspielraums des Bewertungsausschusses bezüglich des Quartals IV/99 seien nicht erfüllt, da weder eine tatsächliche Unsicherheit über die Honorareinbußen vorgelegen noch sich der Bewertungsausschuss an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert habe. Durch die Zugrundelegung allein der kostengünstigeren Praxen bei der Berechnung der Kostenerstattungen nach dem Zwischenbericht der Unternehmensberatung Mc K , die den Festlegungen des EBM-Ä zugrunde gelegen habe, seien 75 vH der Praxen nicht in der Lage, kostendeckend zu arbeiten. Ungünstig wirke sich weiter aus, dass in das Kapitel O des EBM weitere, für die Radiologen ungünstige Neuregelungen aufgenommen worden seien. Bundesweit seien infolge der Laborreform die Zahlen der angeforderten Leistungen pro Untersuchungsauftrag um 40 - 50 % zurückgegangen. Der vorliegende Eingriff in die aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) folgende Berufsausübungsfreiheit sei unverhältnismäßig. Die Regelung in Nr 4.7.4 Abs 2 der Anlage 1 zum hier maßgeblichen HVM der Beklagten über den 20 vH höheren Punktwert für die Nr...