Entscheidungsstichwort (Thema)
Impfschadensrecht. Impfung mit einem nicht mehr empfohlenen Impfstoff gegen Poliomyelitis
Orientierungssatz
Kein Anspruch auf Anerkennung eines Impfschadens wenn die Impfung gegen Poliomyelitis mit einem nicht mehr empfohlenen Impfstoff erfolgt ist.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Impfschadensfolgen und die Gewährung von Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Der 1978 geborene Kläger wurde am 15.12.1998 von dem Praktischen Arzt Dr. D mit dem oralen Impfstoff Polio-Sabin-S gegen Polio, Tetanus und Diphtherie geimpft. Nachdem der Kläger bereits zuvor unter anderem von Dr. D wegen reaktiver Depression, vegetativer Dystonie, psychischer Dekompensation und Angststörung behandelt worden war, begab er sich am 05.01.1999 erneut in Behandlung des Dr. D wegen akuter optische und akustischer Halluzinationen mit psychotischen Entgleisungen. Dr. D wies den Kläger in das Psychiatrische Krankenhaus St. V-Krankenhaus, K, ein, wo der Kläger bis 30.01.1999 wegen des Verdachtes auf hebephrene Psychose, organische Psychose bei enzephalographisch nachweisbarer erhöhter cerebraler Erregbarkeit mit linkstemporalem epileptogenem Fokus behandelt wurde.
Im Februar 2000 beantragte der Kläger bei dem Amt für soziale Angelegenheiten Mainz die Versorgung nach dem Impfschadensgesetz wegen Entwicklungsstörungen, die er auf die Impfung vom 15.12.1998 zurückführte.
Das Amt für soziale Angelegenheiten zog Behandlungsunterlagen des Klägers über die Behandlungen im St. V-Krankenhaus seit 1999 bei, holte eine Auskunft der AOK W sowie einen Befundbericht des Dr. D ein und zog Behandlungsunterlagen über den Kläger des Krankenhauses L, der R-M-Fachklinik, A, sowie der Neurologischen Klinik Dr. H-S-Kliniken, W, bei.
Nach Auswertung der Befundunterlagen durch die Versorgungsärztin R lehnte das Amt für soziale Angelegenheiten den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 25.04.2001 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, beim Kläger seien bereits seit dem Jahr 1995 psychische Auffälligkeiten bekannt, die mehrfach zu stationären Aufenthalten, auch vor dem Impftermin, geführt hätten. Es liege somit ein erheblicher psychischer Vorschaden vor, so dass davon auszugehen sei, dass die psychotische Dekompensation Anfang des Jahres 1999 mit hoher Wahrscheinlichkeit Folge der bereits vorher schon ab 1995 sich anbahnenden progredienten psychischen Erkrankung sei. Den Widerspruch wies der Beklagte nach versorgungsärztlicher Beteiligung mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2001 zurück.
Im vor dem Sozialgericht Koblenz durchgeführten Klageverfahren hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K sowie von Gutachten von Prof. Dr. K, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Psychiatrie der Universität K sowie eines Gutachtens auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Internisten, Nephrologen und Umweltmediziners Prof. Dr. H. Zudem hat der Kläger unter anderem ein von ihm eingeholtes Gutachten des Dr. H vorgelegt.
Prof. Dr. K ist in seinem Gutachten vom 01.08.2002 nach einer Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gelangt, ein ursächlicher Zusammenhang bezüglich der Entwicklung einer schizophrenen Psychose mit einer der Impfungen könne nicht als wahrscheinlich angesehen werden. Entsprechende Hinweise fänden sich weder in der Wissenschaft noch in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit. Beim Kläger bestehe zudem eine Epilepsiepsychose. Nach der Dokumentation des Dr. D seien zwischen der Impfung am 15.12.1998 und der Befundaufnahme durch Dr. D bzw. der Aufnahme ins St. V-Krankenhaus am 05.01.1999 einundzwanzig Tage verstrichen, wobei davon ausgegangen werden könne, dass die zur Aufnahme führende Symptomatik mit akustischen und visuellen Halluzinationen bereits einige Tage vor Aufnahme in die Klinik begonnen hätten, ohne dass insoweit detaillierte Angaben und Befunde vorliegen würden. Für einen Zusammenhang mit der Poliomyelitis-Schutzimpfung sei nach den Anhaltspunkten zu fordern, dass die sehr selten beobachtete Meningoenzephalitis und/oder Manifestation eines hirnorganischen Anfallsleidens ohne Symptome nur dann angenommen werden könne, wenn die Erkrankung zwischen dem dritten und vierzehnten Tag nach der Impfung nachgewiesen worden sei, außerdem Impfviren und/oder eine Antikörperbildung nachzuweisen gewesen seien und andere Ursachen der Erkrankung ausscheiden müssten. Nach den vorliegenden Daten sei aber das Zeitfenster zwischen Impfung und erstem Auftreten der psychotischen Symptomatik bereits überschritten gewesen.
Nach Diphtherieschutzimpfung komme ein ursächlicher Zusammenhang zwischen akut-entzündlichen Erkrankungen des ZNS und der Impfung in Betracht, wenn die Erkrankung innerhalb von achtundzwanzig Tagen nach der Impfung aufgetreten sei, eine Antikörperbildung nachweisbar sei und andere Ursachen der Erkrankun...