Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Überfall. Tätermotiv. betriebsbezogenes Motiv
Orientierungssatz
Ein abhängig Beschäftigter steht bei einem Überfall bzw bei einem vorsätzlichen tätlichen Angriff nur dann unter dem Schutz der gesetzlichen Versicherung, wenn der Angriff des Täters aus betriebsbezogenen Motiven erfolgt.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 22.06.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung eines Überfalls als Arbeitsunfall.
Der Kläger ist angestellter Geschäftsführer des S. e.V. Das Unternehmen führt Selbstkontrollen für die Fruchtsaftbranche und für andere Bereiche der Lebensmittelindustrie durch und ist ein Mitgliedsunternehmen der Beklagten.
Am 18.06.2008 verließ der Kläger um ca. 20.30 Uhr sein Büro in der Geschäftsstelle des S. e.V. in N.. Der Kläger fuhr zunächst mit seinem Firmenwagen zu seiner Wohnung in einem Ortsteil von M. nach Hause, wo sich ein "Home Office" befindet, das er für seine betrieblichen Tätigkeiten auch außerhalb der Bürozeiten in N. nutzt. In diesem Büro befand sich ein Dokument, das der Kläger zur Erstellung einer Rede für eine Veranstaltung des Europäischen Dachverbandes seines Arbeitgebers benötigte. Diese Rede wollte der Kläger noch am Abend für die am folgenden Tag stattfindende Tagung fertig stellen. Um ein Essen einzunehmen, verließ der Kläger seine Wohnung wieder und fuhr in die Innenstadt von M., um schließlich im Restaurant C. zu speisen. Hier führte er zudem zur Vorbereitung seiner Rede ein dienstliches Telefonat mit einem Mitarbeiter in Mittelamerika. Außerdem arbeitete der Kläger vor und im Anschluss an das Essen an der Rede. Zwischen 22.15 Uhr und 22.45 Uhr verließ der Kläger das Lokal, um nach Hause zu fahren. Hier wollte er die endgültige Fassung der Rede in seinen Computer eingeben. Er stellte den Firmenwagen auf einem unweit seiner Wohnung gelegenen öffentlichen Parkplatz ab und begab sich zu Fuß auf den letzten Teil seines Nachhauseweges. Auf diesem Weg wurde der Kläger von V. B. überfallen und mit einem Fußtritt an den Kopf zu Fall gebracht. V. B. bemächtigte sich des Autoschlüssels; außerdem nahm er dem Kläger das Mobiltelefon und die Geldbörse weg. Danach floh V. B. mit dem Firmenwagen des Klägers. V. B. wurde durch das Amtsgericht M. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit Schreiben vom 21.10.2008 zeigte der S. e.V. diesen Vorfall als Arbeitsunfall bei der Beklagten an. Die Beklagte hörte den Kläger zum Unfallereignis an und zog die Akten der Staatsanwaltschaft (StA) M. bei. Mit Bescheid vom 25.02.2009 lehnte die Beklagte die Feststellung des Ereignisses vom 18.06.2008 als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe sich nicht auf einem versicherten Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) befunden. Der allein wesentliche Grund für die Fahrt zu dem Restaurant sei die Nahrungsaufnahme gewesen. Die betriebliche Tätigkeit sei in dem Restaurant lediglich "nebenbei mit erledigt" worden. Auf dem Weg nach Hause habe sich der Kläger deshalb auf einem unversicherten Weg befunden. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2009 zurückgewiesen.
Mit der am 18.05.2009 beim Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, trotz der Nahrungsaufnahme habe der Schwerpunkt der Tätigkeit im Restaurant betrieblichen Zwecken gedient.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 22.06.2010 den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, wegen der Folgen des Überfalls auf den Kläger vom 18.06.2008 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen. Der Kläger habe das Restaurant aufgesucht, um seine Arbeitsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Außerdem habe er dort eine betriebliche Tätigkeit ausgeführt, die er dann zu Hause habe fortsetzen wollen. Dem Kläger habe es freigestanden, seine versicherte Tätigkeit auch an einem anderen Ort als im Firmenbüro oder zu Hause auszuüben. Der konkrete Ort der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit sei für den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung unerheblich. Der Kläger sei auf einem versicherten Betriebsweg überfallen worden.
Gegen das ihr am 09.07.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.07.2010 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, der streitgegenständliche Vorgang stehe nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Es handele sich nicht um einen Betriebsweg, denn beim Aufenthalt im Lokal habe es sich um eine gemischte Tätigkeit gehandelt, deren Schwerpunkt hier auf der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit - dem Essen und Trinken - gelegen habe. Die übrigen Tät...