Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. gesetzliche Unfallversicherung. fehlende Entscheidungsbefugnis des Unfallversicherungsträgers zum Erlass eines Verwaltungsakts von Amts wegen gegenüber dem etwaig haftungsprivilegierten Schädiger gem § 106 Abs 3 SGB 7. Feststellung des Umfangs der Leistungserstattung gem § 110 Abs 1 SGB 7. fehlender Antrag gem §§ 109, 108 SGB 7. keine Unbeachtlichkeit gem § 42 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
Zur fehlenden Befugnis des gesetzlichen Unfallversicherungsträgers gegenüber dem haftungsprivilegierten Schädiger, der weder Mitglied noch Versicherter der Berufsgenossenschaft ist, von Amts wegen über den Umfang der zu erstattenden Leistungen durch Verwaltungsakt zu entscheiden.
Orientierungssatz
Eine noch fehlende Antragstellung des möglicherweise haftungsprivilegierten Schädigers anstelle des geschädigten Versicherten auf Feststellungen gem §§ 109, 108 SGB 7 ist nicht gem § 42 iVm § 41 Abs 1 Nr 1 SGB 10 unbeachtlich.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19.03.2010, ergänzt durch Beschluss vom 15.07.2010, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, mit dem die Beklagte gegenüber dem Kläger die Höhe der dem Beigeladenen wegen eines Arbeitsunfalles erbrachten Leistungen festgestellt hat.
Der Beigeladene erlitt am 13.03.2007 bei seiner Tätigkeit als Forstwirt des Forstamtes J bei Aufräumarbeiten der durch den Sturm "Kyrill" verursachten Windwürfe einen Arbeitsunfall, als er sich im Wald zum Zurücklegen einer Wegstrecke auf das Frontpolterschild der Rückemaschine des Klägers setzte, der zum Unfallzeitpunkt als selbständiger Lohnunternehmer im Auftrag der Staatlichen Forstverwaltung an den Aufräumarbeiten mitwirkte. Beim plötzlichen Absenken des Rückeschildes nach wenigen Metern Fahrt konnte der Beigeladene nicht rechtzeitig abspringen und geriet unter das Schild. Wegen der hierbei erlittenen Verletzungen musste bei ihm eine linksseitige Oberschenkelamputation durchgeführt werden. Die Beklagte als für den Beigeladenen zuständiger Unfallversicherungsträger erbrachte umfangreiche Leistungen, ua in Gestalt von Heilbehandlung, Verletztengeld und Verletztenrente, wobei der Kläger am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt wurde. Gegen diesen erhob die Beklagte vor dem Landgericht (LG) F wegen der dem Beigeladenen erbrachten Leistungen und der ihr entstandenen Aufwendungen Klage auf Zahlung von Schadensersatz, weil der Kläger beim Transport des Beigeladenen auf dem Frontpolterschild des Rückefahrzeuges zumindest grob fahrlässig gehandelt habe und deshalb das Haftungsprivileg nach § 106 Abs 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) für vorübergehend auf einer gemeinsamen Betriebsstätte betriebliche Tätigkeiten Verrichtende nicht eingreife und der Kläger nach § 110 Abs 1 SGB VII ersatzpflichtig sei. Der Kläger bestritt seine Einstandspflicht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Das LG F setzte den Zivilrechtsstreit durch Beschluss vom 06.03.2009 (…) gemäß § 108 Abs 2 SGB VII bis zum Vorliegen einer unanfechtbaren Entscheidung des Unfallversicherungsträgers über die Höhe des Leistungsumfanges unter Beteiligung des Klägers aus. Es gab diesem auf, das Verfahren gemäß § 108 Abs 1 SGB VII binnen drei Monaten einzuleiten. Mit Bescheid vom 06.03.2009 stellte die Beklagte von Amts wegen ohne Beteiligung des Beigeladenen gegenüber dem Kläger die durch diesen zu erstattenden durch den Unfall des Beigeladenen bedingten Aufwendungen mit 127.810,11 € (Stand: 06.03.2009) fest. Dem Widerspruch des Klägers gab die Beklagte lediglich in Höhe von 1.101,68 € statt, da in Höhe von 1.101,96 € (!) eine Überzahlung von Verletztengeld nebst Sozialversicherungsbeiträgen durch die Krankenkasse zwischenzeitlich erstattet worden sei (Widerspruchsbescheid vom 27.04.2009).
Am 19.05.2009 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer erhoben und geltend gemacht, unabhängig von der - im Einzelnen ebenfalls angegriffenen - inhaltlichen Richtigkeit des Bescheides der Beklagten, sei dieser mangels Rechtsgrundlage bereits formell rechtswidrig, weil eine Divergenzsituation, wie sie § 108 SGB VII vermeiden solle, überhaupt nicht entstehen könne. Dass der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten habe und ihm von der Beklagten Leistungen zu erbringen seien, werde auch von ihm, dem Kläger, nicht bestritten. Über den Umfang des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches müsse das Zivilgericht ggf urteilen, vorrangig gehe es aber darum, ob überhaupt ein Ersatzanspruch der Beklagten im Hinblick auf die Privilegierung des § 106 SGB VII bestehe. Dass keine Divergenz drohe, werde schon dadurch deutlich, dass die Beklagte den Beigeladenen nicht ein...