Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Prüfverfahren. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung. Anfangsverdacht. Verwertungsverbot im anschließenden Gerichtsverfahren. Erweiterung. Prüfauftrag

 

Orientierungssatz

1. Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 sollen ausdrücklich auf Fälle beschränkt sein, in denen die Krankenkassen einen "Anfangsverdacht" haben (vgl BSG vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 13).

2. Ein Verstoß gegen das Prüfverfahren kann zu einem Verwertungsverbot der im anschließenden Gerichtsverfahren ermittelten Tatsachen führen. Von der Verwertung der Beweismittel ist abzusehen, wenn diese vom Krankenhaus nicht freiwillig, sondern allein auf besondere gerichtliche Anforderung zur Verfügung gestellt worden sind (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R = BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24).

Ein Krankenhaus kann sich nicht darauf berufen, dass der Prüfauftrag der Krankenkasse an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu Unrecht erweitert worden sei, wenn das Krankenhaus freiwillig am Prüfverfahren mitgewirkt und dem MDK die Patientenunterlagen zur Verfügung gestellt hat, ohne Einwände gegen die Zulässigkeit des Prüfverfahrens zu erheben.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.07.2014; Aktenzeichen B 1 KR 29/13 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 06.11.2012 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind Ansprüche der Klägerin auf Zahlung einer weiteren Vergütung in Höhe von 532,94 € sowie auf Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 €.

Die Klägerin ist Trägerin des zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen K Klinikums M , in dem in der Zeit vom 25.03. bis 28.03.2010 die Versicherte A S stationär behandelt wurde. Mit Rechnung vom 09.04.2010 forderte die Klägerin von der Beklagten unter Zugrundelegung der Diagnosis Related Group (DRG) G12C (andere OR-Prozeduren an den Verdauungsorganen ohne komplexe oder mäßig komplexe OR-Prozedur) eine Vergütung von 2.850,44 €. Dabei legte sie die Hauptdiagnose R10.3 nach ICD10 (Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des Unterbauchs) zu Grunde. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Prüfung der Fragen, ob die medizinische Notwendigkeit der Aufnahme in ein Krankenhaus zur vollstationären Behandlung bestand und ob die Überschreitung der unteren Grenzverweildauer bzw. das Erreichen der unteren Grenzverweildauer medizinisch begründet gewesen sei. Mit Schreiben vom 21.05.2010 zeigte der MDK der Klägerin die Prüfung an. Diese bestätigte, die Prüfanzeige gemäß § 275 Abs. 1 Buchstabe c Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) fristgemäß erhalten zu haben. Dr. B , MDK, führte in seinem Gutachten vom 19.07.2010 aus, am 19.07.2010 sei der Fall im Krankenhaus mit Dr. H erörtert worden. Die Aufnahme in ein Krankenhaus zur vollstationären Behandlung sei medizinisch notwendig gewesen. Die Gesamtverweildauer betrage drei Tage, hiervon seien nur zwei Tage medizinisch begründet. Eine Überprüfung der Hauptdiagnose erfolgte in diesem Gutachten nicht, da hierzu kein Auftrag erteilt worden war. Die Kürzung der Verweildauer um einen Tag führte nicht zu einer Minderung der Vergütung. Am 26.07.2010 stellte die Klägerin der Beklagten eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € in Rechnung. Am 27.07.2010 zahlte die Beklagte an die Klägerin einen Betrag von 2.317,50 €. Dr. B führte in einem weiteren Gutachten vom 11.08.2010 aus, die Fragestellung sei geändert worden, die Krankenkasse frage nunmehr nach der Korrektheit der Hauptdiagnose. Der durchgeführten diagnostischen Laparoskopie hätten gynäkologische Fragestellungen bei menstruationsabhängigen Unterleibsschmerzen zu Grunde gelegen. Bei nicht sicher festzustellender Ursache bleibe nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) das Symptom Hauptdiagnose. Diese sei jedoch mit R10.2 (Schmerzen im Becken und am Damm) spezifischer anzugeben als mit R10.3. Die ergänzte Frage sei mit dem Krankenhaus nicht erörtert worden. Am 12.08.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aus der korrekten Hauptdiagnose R10.2 resultiere die DRG N25Z (andere Eingriffe an Uterus und Adnexen außer bei bösartiger Neubildung, ohne komplexe Diagnose oder diagnostische Laparoskopie), die bereits gezahlt worden sei. Es werde um Korrektur der Rechnung gebeten. Die Aufwandspauschale könne nicht übernommen werden. Mit Schreiben vom 14.09.2010 hielt die Klägerin an der Forderung der Aufwandspauschale fest und lehnte eine Änderung ihrer Rechnung ab. Sie verwies auf ein Schreiben des Dr. H vom 18.08.2010, der ausführte, das MDK-Gutachten vom 19.07.2010 sei zu der konkreten Fragestellung "Notwendigkeit/untere Grenzverweildauer" erstattet worden. Die Notwendigkeit der stationären Aufnahme sei bestätigt, die Verweildauer um den präoperativen Tag einvernehmlich gekürzt worden. Diese Ve...

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