Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Krankengeld. Begutachtung. Anwesenheit einer Vertrauensperson. Beweisverwertungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Gutachter im Verwaltungsverfahren darf dem Begehren des Probanden, die Anwesenheit einer Vertrauensperson bei der Untersuchung zu gestatten, nicht ohne weiteres widersprechen. Er ist hierzu berechtigt, wenn er vor der Untersuchung einen triftigen Grund vorbringt.

2. Wenn der Gutachter vor der Untersuchung keinen ausreichenden Grund nennt, folgt hieraus kein Beweisverwertungsverbot, sofern er zur Weigerung der Duldung der Anwesenheit der Vertrauensperson berechtigt gewesen wäre.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 10.02.2005 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist ein Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 20.6.2002 bis zum 31.12.2003.

Die 1949 geborene Klägerin war zuletzt als gewerbliche Mitarbeiterin bis 2000 beschäftigt und danach arbeitslos. Sie erhielt nach dem Ende der Leistungsfortzahlung der Arbeitsverwaltung von der Beklagten ab dem 28.5.2002 Krankengeld. Als Diagnose nannte ihr seinerzeit behandelnder Arzt Dr. B eine toxische Schädigung (Polyneuropathie, Ataxie, Myopathie). Ab dem 18.6.2002 wurde ihr bis zum 5.7.2002 von ihrem Hausarzt, dem Internisten Dr. L , Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Die Beklagte holte ein Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 20.6.2002 (Untersuchung am 18.6.2002) ein. Dieser führte als Diagnosen an: „Anpassungsstörung; radiologisch nachweisbare degenerative Veränderungen im Bewegungsapparat, insgesamt mäßige Ausprägung, Übergewicht.“ Zum Untersuchungsbefund im Bereich von Wirbelsäule und Extremitäten heißt es: „Die großen Gelenke sind aktiv und passiv endgradig alle bewegungseingeschränkt und mit heftigster Schmerzangabe. Beim Durchbewegen jedoch bis zum Schmerzpunkt frei und leicht beweglich, ab dann eindeutiges Dagegenhalten...Fingerbodenabstand nicht prüfbar. Schürzen- und Nackengriff nicht durchführbar bei fraglicher Kooperationsbereitschaft... Die neurologische Untersuchung war in allen Etagen regelrecht. Selbst ein leichter Schlag auf die rechte Achillesferse mit dem Reflexhammer ... wurde von der Patientin mit einem heftigen Schmerzschrei beantwortet. Hier Verdacht auf Aggravation...“ Dr. R führte aus, die geklagten Beschwerden ließen sich auf degenerative Veränderungen im Skelettapparat zurückführen, wobei die Befunde das Maß der geklagten Schmerzen nicht erklären könnten. Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, die Klägerin sei für leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen leistungsfähig. Mit Bescheid vom 19.6.2002 lehnte die Beklagte daraufhin eine Krankengeldgewährung für die Zeit ab dem 20.6.2002 ab.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und trat dem Gutachten des Dr. R u. a. mit dem Vorbringen entgegen, der Gutachter habe ihrem Sohn die Anwesenheit bei der Begutachtung untersagt. Ihr Sohn machte in einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Dr. R geltend: Dieser habe im Verlauf des Gesprächs gegenüber der Klägerin, nachdem er diese nach Hause geschickt habe, damit sie einen Arztbericht hole, geäußert: „Sie haben keinen Beruf, Sie können sich auch selbst krank schreiben. Außerdem sind Sie gar nicht krank.“ Daraufhin habe sich seine Mutter nur noch in seinem Beisein von Dr. R untersuchen lassen wollen. Dr. R habe ihm, M P , gegenüber im Behandlungszimmer geäußert, ohne dass etwas vorausgegangen gewesen sei: „Sie haben soeben Hausfriedensbruch begangen.“ Entgegen der ausdrücklichen Bitte seiner Mutter habe er, M P , den Untersuchungsraum während der Untersuchung verlassen müssen.

In der Zeit vom 26.7. bis zum 6.8.2002 befand sich die Klägerin wegen einer Polymyalgia rheumatica in stationärer Behandlung. Für den Zeitraum vom 22.8.2002 bis zum 19.9.2002 bestätigte der Neurologe Dr. H wegen Depressionen Arbeitsunfähigkeit. Eine von der Beklagten vorgesehene weitere Begutachtung durch den Arzt im MDK Dr. K am 18.9.2002 scheiterte daran, dass sich die Klägerin weigerte, sich ohne Anwesenheit ihres Sohnes untersuchen zu lassen. In dessen Stellungnahme vom September 2002 heißt es, er, Dr. K , habe in einem längeren Gespräch die Modalitäten einer Begutachtung bei ihm ausführlich erläutert - zunächst körperliche Untersuchung und psychiatrische Exploration ohne weitere anwesende Personen - und mehrfach das Angebot einer Erörterung der mit der Begutachtung im Zusammenhang stehenden Fragen mit der Klägerin und ihrem Sohn gemeinsam nach Abschluss der Untersuchung gemacht. Damit seien die Klägerin und ihr Sohn nicht einverstanden gewesen, sodass eine Begutachtung nicht habe durchgeführt werden können.

Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4.9.2003 zurückgewiesen. Zur Begründ...

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