Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 3101. Hepatitis B-Infektion. ehrenamtliches Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. persönliche Aussetzung einer konkreten Infektionsgefahr vergleichbar den im Gesundheitsdienst Tätigen. kein erhöhter Grad der Durchseuchung des Arbeitsumfeldes
Orientierungssatz
Zur Nichtanerkennung einer Hepatitis B-Infektion eines ehrenamtlichen Mitgliedes der Freiwilligen Feuerwehr als Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 3101, wenn dieser persönlich bei seiner konkret ausgeübten Tätigkeit nicht in ähnlichem Maße einer konkreten Infektionsgefahr, vergleichbar den im Gesundheitsdienst Tätigen, ausgesetzt war (kein erhöhter Grad der Durchseuchung des Arbeitsumfeldes hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte).
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 03.06.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 (Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1969 geborene Kläger ist als Wehrführer Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in B.
Bei dem Kläger wurde im Oktober 2017 eine Hepatitis B-Erkrankung festgestellt. Er führt diese Erkrankung auf seine Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr zurück.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten zunächst die Feststellung eines Arbeitsunfalles und schilderte mehrere Rettungsaktionen. Die Beklagte lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalles ab (Bescheid vom 23.08.2018, Widerspruchsbescheid vom 08.11.2018). Die hiergegen vor dem Sozialgericht Koblenz erhobene Klage (S 7 U 285/18) ruht. Das Sozialgericht hatte den Kläger in diesem Verfahren darauf hingewiesen, dass die Feststellung eines Arbeitsunfalles wahrscheinlich nicht in Betracht komme. Es müsse im Vollbeweis nachgewiesen werden, dass der Kläger sich die Hepatitis B-Infektion bei einer der benannten Ereignisse zugezogen habe. Dieser Beweis dürfte schlechterdings ausgeschlossen sein. Es bestehe insbesondere keine Möglichkeit, die geretteten Personen auf eine mögliche Hepatitis B-Erkrankung untersuchen zu lassen. Es sei sinnvoller, die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 der BKV anzustreben.
Die Beklagte leitete daraufhin auf Antrag des Klägers ein Berufskrankheiten-Verfahren ein. In diesem Verfahren übersandte der Kläger ein Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung C vom 28.02.2019. In diesem Schreiben ist ausgeführt, in der Verbandsgemeinde C seien in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt 323 Einsätze aus dem Bereich Technische Hilfseinsätze (TH) gefahren worden. Hierunter befänden sich 61 Einsätze, bei denen aufgrund des Einsatzgeschehens Kontakt mit Personen anzunehmen sein könnte. Dem Schreiben war folgende Liste beigefügt,
|
Stichwort |
2016 |
2017 |
2018 |
Tür öffnen dringend |
7 |
7 |
10 |
Tierrettung/Tierbergung |
8 |
4 |
7 |
Unwetterschäden |
35 |
2 |
26 |
Bootsunfall |
2 |
|
5 |
Verkehrsunfall |
6 |
1 |
7 |
Ölspur/auslaufende Betriebsstoffe |
10 |
24 |
26 |
Tragehilfe für den Rettungsdienst |
5 |
8 |
17 |
Tragehilfe für Bestatter |
1 |
|
|
Tragehilfe für RD mit DLK |
13 |
6 |
5 |
Person im Aufzug |
8 |
1 |
2 |
Verkehrsunfall eingeklemmte Person |
1 |
|
1 |
Wasserrohrbruch |
1 |
6 |
|
Fahrbahnreinigung nach Verkehrsunfall |
1 |
|
|
Person in Zwangslage |
2 |
1 |
2 |
Fahrzeugsuche im Fluss |
2 |
|
|
Fahrzeug- und Leichenbergung |
1 |
|
|
Sicherungsmaßnahmen |
5 |
5 |
8 |
Festgefahrener LKW |
1 |
|
|
Flugunfall, klein |
1 |
|
|
Personensuche |
1 |
5 |
6 |
Gasgeruch |
1 |
|
4 |
Person in Zwangslage |
|
3 |
6 |
Stromausfall |
|
3 |
1 |
Person droht zu springen |
|
1 |
|
Person unter Zug |
|
1 |
|
Gesamtsumme TH Einsätze |
112 |
78 |
133 |
Mit Bescheid vom 19.06.2019 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger falle nicht unter die ersten 3 Alternativen der Nr. 3101 der Anlage 1 der BKV. Die 4. Alternative beinhalte keinen Auffangtatbestand. Der Versicherte müsse vielmehr in ähnlichem Maße der Infektionsgefahr ausgesetzt sein, so dass die abstrakte Gefährdung in Art und Grad derjenigen in den bezeichneten Einrichtungen vergleichbar sei. Prägend für die Vergleichbarkeit sei insbesondere eine gewisse Regelmäßigkeit in der gefährdenden Verrichtung. Es werde ein zumindest gelegentlicher Kontakt mit Hepatitis B-positiven Personen im infrage kommen...