Entscheidungsstichwort (Thema)

Halbwaisenrentenanspruch in der Zeit zwischen dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife und der Aufnahme eines Studiums im darauf folgenden Wintersemester. Übergangszeit von über vier Monaten. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Wegen des eindeutigen Wortlautes des § 48 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst b SGB 6, wonach eine Rentengewährung nur dann in Betracht kommt, wenn sich der Betroffene "in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet", kann nicht im Rahmen einer längeren Übergangszeit wenigstens Rente für vier Monate gewährt werden.

2. Die Regelung in § 48 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst b SGB 6 idF des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz - juris: RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 2004, 1791) verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 15.9.2006 - L 1 R 1048/06).

 

Nachgehend

BSG (Teilurteil vom 01.07.2010; Aktenzeichen B 13 R 86/09 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 10.09.2008 abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Dem ... 1985 geborenen Kläger wurde nach dem Tod seines am 27.01.2000 verstorbenen Vaters Halbwaisenrente, zuletzt in Höhe von 226,48 € monatlich, gewährt.

Nachdem der Kläger in einem Nachprüfungsverfahren angegeben hatte, er werde die Schulausbildung voraussichtlich bis zum 31.03.2005 beenden, wurde ihm die Rente ab April 2005 nicht mehr gezahlt.

Mit am 12.04.2005 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben wies der Kläger darauf hin, dass er beabsichtige, Politologie zu studieren, sodass sich die Wartezeit bis zu Beginn des Wintersemesters des Jahres 2005/06 verzögere. Er bitte, dies bei der Entscheidung über die Weiterzahlung der Halbwaisenrente zu berücksichtigten. Er legte eine Bescheinigung des Gymnasiums am R, K, vom 11.03.2005 vor, wonach er bis zum 11.03.2005 das dortige Gymnasium besucht hat.

Durch Bescheid vom 04.05.2005 lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger ab dem 01.04.2005 Waisenrente zu gewähren. Waisenrente werde bis zur Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres ua. dann gewährt, wenn die Waise sich in Schul- oder Berufsausbildung befinde, wobei die Zeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten nur vier Monate betragen dürfe.

Dieser Bescheid wurde vom Kläger nicht angefochten.

Mit Schreiben vom 05.09.2005 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte mit der Bitte, einen Anspruch auf Halbwaisenrente zu prüfen, da er ab dem 05.09.2005 seine Ausbildung fortsetze. Er legte eine Studienbescheinigung der J Universität G vom 05.09.2005 vor, nach der er als Student an der Universität in den Fächern Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie eingeschrieben sei. Die Bescheinigung bezog sich auf das Wintersemester 2005/2006 und war vom 01.10.2005 bis zum 31.03.2006 gültig. Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin wiederum Halbwaisenrente ab dem 01.10.2005 in Höhe von 225,36 €.

Am 06.02.2007 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf nicht gezahlte Halbwaisenrente von April bis September 2005 geltend, wobei er sich auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Speyer vom 20.04.2006 (S 8 RA 363/03) berief. Nach diesem Urteil bestehe trotz einer sechsmonatigen Zwischenzeit zwischen Schulzeit und Studium Anspruch auf Fortzahlung der Halbwaisenrente, weil die lange Unterbrechung ihren Grund im vorgezogenen Abitur in Rheinland-Pfalz habe. Den zulassungsbeschränkten. Studiengang habe er wegen der Bewerbungsfrist erst zum Wintersemester aufnehmen können.

Mit Bescheid vom 21.02.2007 lehnte die Beklagte es ab, den Bescheid vom 04.05.2005 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben. Nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) am 01.08.2004 sei eine Weiterzahlung der Waisenrente bei Überschreiten der Höchstdauer von vier Kalendermonaten zwischen zwei Ausbildungsschritten auch dann nicht möglich, wenn die Ausbildung allein aus generell unvermeidbaren schulorganisatorischen Gründen nicht innerhalb der Frist aufgenommen werden könne. Das vom Kläger angeführte Urteil des SG Speyer sei insoweit nicht mehr einschlägig.

Der Kläger erhob dagegen Widerspruch, der durch Widerspruchsbescheid vom 21.05.2007 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, während sich die "rentenunschädliche Übergangszeit" für Zeiträume bis zum 31.07.2004 ausschließlich durch die Rechtsprechung ergeben habe, sei sie für Anspruchszeiträume ab 01.08.2004 ausdrücklich in § 48 Abs 4 S 1 Nr 2 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) festgelegt. Danach sei es erforderlich, dass der nächste Ausbildungsabschnitt spätestens am ersten Tag des fünften auf die Beendigung der vorangegangenen Ausbildung folgenden Kalendermonat beginne, auch, wenn die weitere Ausbildung zB aus allein hochschulorganis...

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