Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung des Arbeitslosengeld II. wiederholtes Meldeversäumnis. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Pflicht zur Vorlage einer besonderen Bescheinigung über die Unfähigkeit der Wahrnehmung des Meldetermins. wichtiger Grund. Arzttermin
Leitsatz (amtlich)
1. Der Leistungsträger kann von dem Meldepflichtigen die Vorlage einer über eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hinausgehenden Bescheinigung über die Unfähigkeit zur Wahrnehmung des Meldetermins verlangen, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit nicht gleichzeitig die Unfähigkeit zur Wahrnehmung eines Meldetermins begründet.
2. Der Leistungsträger ist jedenfalls dann nicht verpflichtet, dem Meldepflichtigen mitzuteilen, ob ein vorgebrachter Entschuldigungsgrund ausreichend ist, wenn der Meldepflichtige unter Berücksichtigung der Postlaufzeiten und einer angemessenen Bearbeitungszeit nicht mit einer entsprechenden Mitteilung rechnen durfte.
3. Die Wahrnehmung eines Arzttermins ist nur dann ein wichtiger Grund für die Versäumung eines Meldetermins, wenn es sich um einen notfallmäßigen oder aus sonstigen Gründen unaufschiebbaren Termin handelt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 4.9.2008 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen Absenkungen seines Arbeitslosengeld (Alg) II, die die Beklagte wegen wiederholter Verletzung seiner Meldepflicht angeordnet hat.
Der 1957 geborene, alleinstehende Kläger bezieht seit Januar 2005 von der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. In der Vergangenheit war er unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Meldetermine mehrfach Meldeaufforderungen der Beklagten nicht nachgekommen. In einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 14.9.2006 hatte der Nervenarzt Dr. B folgende Diagnose angegeben: "T 65.8, toxische Schäden nach ca. 4 Jahren Arbeit als Maler und Lackierer plus ca. 1 Jahr Lösungsmittel in Weinkellerei. Seit ’78 keine ’Erholung‚, fortlaufend Verschlechterung". Mit Bescheid vom 20.9.2006 hatte die Beklagte eine Absenkung der Leistungen angeordnet. Auf den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid hatte die Beklagte den Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 27.9.2006 mitgeteilt, der Kläger sei zuvor mündlich darauf hingewiesen worden, dass ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen künftig nicht mehr akzeptiert würden; er habe vielmehr eine Bescheinigung vorzulegen, aus der ersichtlich sei, dass er krankheitsbedingt keine Termine bei der Beklagten wahrnehmen könne. Der Kläger werde darauf hingewiesen, dass auch für Folgeeinladungen jeweils eine entsprechende Bescheinigung gefordert werde und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreichend sei. Im weiteren Verfahren hatte Dr. B der Beklagten am 4.10.2006 mitgeteilt, er bescheinige dem Kläger vor Meldeterminen bei der Beklagten Arbeitsunfähigkeit, weil Schwerstgeschädigte häufig in Angst und Panik gerieten; aus seiner Sicht gebe es derzeit keine Stelle, an der der Kläger arbeiten könne. In einem beigefügten Befundbericht hatte Dr. B ausgeführt, der Kläger leide an einer toxischen Schädigung mit Polyneuropathie, Myopathie, erheblichem Leistungsabfall; er könne nur kurze Strecken gehen oder sich nur kurz setzen, dann habe er schon Schmerzen in Muskeln und Gelenken; auch Herzjagen (Kardiomyopathie) passe zum Krankheitsbild. Zu weiteren Meldeterminen am 27.4.2007 und 8.5.2007 war der Kläger unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Dr. B erneut nicht erschienen. In einer handschriftlichen Mitteilung vom 7.5.2007 hatte Dr. B der Beklagten mitgeteilt: "Attest! Ich bin nicht Ihr Narr! Lesen Sie endlich genau das Attest vom 7.2.2007 und die vorherigen!!" Mit Bescheid vom 2.5.2007 hatte die Beklage wegen der Versäumung des Meldetermins am 27.4.2005 das Alg II um 10 v.H. für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.6.2007 abgesenkt. Gegen diesen Bescheid hatte der Kläger keinen Rechtsbehelf eingelegt. Zu weiteren Meldeterminen am 15.5.2007 und am 20.8.2007 war der Kläger wiederum nicht erschienen. Er hatte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und einen Vermerk des Dr. B vom 17.8.2007 vorgelegt, in dem es heißt, der Kläger sei ab 17.8.2007 arbeitsunfähig erkrankt; "Siehe Vorbericht, kann 20.8.07 nicht zu Termin".
Mit Schreiben vom 28.9.2007 lud die Beklagte den Kläger erneut zu einem Gespräch über sein Bewerberangebot sowie seine berufliche Situation und zur Erstellung eines ärztlichen Gutachtens für den 9.10.2007. Die Einladung enthielt Hinweise auf die Erforderlichkeit einer Meldeunfähigkeitsbescheinigung und die Rechtsfolgen bei Meldeversäumnis. Mit am 8.10.2007 bei der Beklagten eingegangenem Antwortformular teilte der Kläger mit, er könne den Termin am 9.10.2007 nicht wahrnehmen, da er an diesem Tag einen wichtigen Arzttermin habe;...