Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers gegen den Sozialhilfeträger nach Feststellung von Erwerbsunfähigkeit durch die gemeinsame Einigungsstelle. Umfang des Erstattungsanspruchs. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge

 

Orientierungssatz

Der Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers gegen den Sozialhilfeträger nach § 44a Abs 2 S 1 SGB 2 aF umfasst auch die für den Leistungsberechtigten im Erstattungszeitraum gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.09.2014; Aktenzeichen B 8 SO 6/13 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28.02.2012 - S 12 SO 163/10 - abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 926,49 € zu zahlen. Die darüber hinausgehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht insbesondere in Streit, ob der von dem Kläger gegen den Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch die für den Leistungsberechtigten, Herrn J   H    R   W  , in der Zeit vom 14.02.2007 bis zum 23.09.2007 von dem Kläger gezahlten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 926,49 € erfasst.

Auf den Antrag des 1962 geborenen J. H. R. W. (nachfolgend der Leistungsberechtigte) hatte die ARGE der Stadt Koblenz, deren Rechtsnachfolger der Kläger ist (nachfolgend der Kläger), dem Leistungsberechtigten mit Bescheid vom 15.12.2005 für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 608,27 € bewilligt.

Mit Bescheid vom 05.05.2006 war eine Weiterbewilligung der Leistungen für die Zeit vom 01.05.2006 bis zum 31.10.2006 erfolgt. Im Juni 2006 hatte der Leistungsberechtigte die Verbüßung einer Haftstrafe voraussichtlich bis zum 09.09.2006 angezeigt. Auf den nachfolgenden erneuten Antrag des Leistungsberechtigten hatte der Kläger mit Bescheid vom 18.09.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - im Leistungsumfang wie zuvor - vom 15.09.2006 bis zum 31.10.2006 bewilligt. Eine Weiterbewilligung für den Zeitraum 01.11.2006 bis 30.04.2007 war am 18.09.2006 erfolgt. Der Leistungsberechtigte war am 07.02.2007 von dem Ärztlichen Dienst des Klägers begutachtet worden. Es war eine aufgehobene Leistungsfähigkeit bei Drogenabhängigkeit und Minderbelastbarkeit bei chronisch virusbedingter Leberentzündung festgestellt worden, die prognostisch länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer gegeben sein sollte.

Der Kläger meldete daraufhin mit Schreiben vom 08.02.2007 (Eingang am 09.02.2007) bei dem Beklagten einen Erstattungsanspruch wegen der Leistungsgewährung gemäß § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), § 44a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an. Die Leistungserbringung erfolge vorläufig bis zur Entscheidung der Einigungsstelle.

Der Beklagte teilte der Einigungsstelle am 14.02.2007 mit, die Aufnahme der Leistungen werde abgelehnt. Nicht jeder Drogenabhängige sei als erwerbsunfähig anzusehen. Dem Kläger stünden zudem die Maßnahmemöglichkeiten des § 16 SGB II zur Verfügung.

In der Folge bewilligte der Kläger dem Leistungsberechtigten mit Bescheid vom 19.03.2007 weiterhin Leistungen nach dem SGB II iHv monatlich 637,30 € für die Zeit vom 01.05.2007 bis 31.10.2007. Der Kläger hob zunächst die Bewilligung für die Zeit ab dem 01.05.2007 wegen fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten auf, bewilligte dann aber mit Bescheid vom 25.04.2007 weiterhin Leistungen ab dem 01.05.2007 bis zum 30.06.2007 in dem bisherigen Umfang. Auf den Weiterbewilligungsantrag des Leistungsberechtigen wurden ihm mit Bescheid vom 11.06.2007 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 31.12.2007 bewilligt. Die Bewilligung wurde mit Bescheid vom 27.09.2007 ab dem 24.09.2007 aufgehoben, weil sich der Leistungsberechtigte ab dem 24.09.2007 in der Justizvollzugsanstalt aufhielt.

In der mündlichen Verhandlung der Einigungsstelle am 27.09.2007 stellten die Beteiligten übereinstimmend die fehlende Erwerbsfähigkeit des Leistungsberechtigen im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II seit dem 07.02.2007 fest.

Der Kläger machte sodann mit Schreiben vom 08.10.2007 gegenüber dem Beklagten einen Erstattungsanspruch für die dem Leistungsberechtigten in der Zeit vom 14.02.2007 bis zum 23.09.2007 erbrachten Leistungen iHv 6.363,71 € geltend. Der Beklagte erstattete dem Kläger am 23.09.2008 nach § 103 SGB X 4.172,77 €. Insbesondere die Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurde jedoch verweigert.

Der Leistungsberechtigte ist am 21.12.2007 aus der Justizvollzugsanstalt entlassen worden. Der Beklagte bat die AOK Rheinland-Pfalz (AOK) mit Schreiben vom 21.01.2008 aufgrund der Erklärung des Leistungsberechtigten, die freiwillige Mitgliedschaft in der Krankenkasse zu begründen. Das Gutachten zur Erwerbsunfähigkeit des Leistungs...

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