Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 12 SGB 7. 11-jähriges Mitglied eines Hilfeunternehmens. Rettungsschwimmer-Ausbildung. Fremdrettung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. keine ehrenamtliche Tätigkeit. gesellschaftliche Veranstaltung. Jugendzeltlager der DLRG
Leitsatz (amtlich)
1. Die bloße Teilnahme eines Mitglieds der DLRG an einem als reinen Freizeitveranstaltung konzipierten Zeltlager reicht für den Versicherungsschutz nicht aus.
2. Erforderlich für den inneren Zusammenhang bzw die hinreichende Sachnähe zum Zweck des Unternehmens und damit dem Anknüpfungspunkt des Versicherungsschutzes ist ein unentgeltliches, insbesondere ehrenamtliches Tätigwerden, zB als aktiver Helfer.
3. Etwas anderes gilt nur, wenn besondere Umstände hinzutreten, die eine andere Betrachtungsweise rechtfertigen.
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11.10.2007 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtlichen Kosten des Klägers sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Unfall des damals 11-jährigen Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.
Der ... 1994 geborene Kläger nahm als Mitglied der Ortsgruppe N der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) an Pfingsten 2006 an einem Zeltlager der DLRG N/A teil. Am 4.6.2006 erlitt er einen Unfall, als ihm eine Mineralwasserflasche zugeworfen wurde, die er nicht auffangen konnte. Hierbei zog er sich Verletzungen an Lippe und Gebiss zu. Seine Zahnärztin Dr. S teilte im Juni 2006 mit, Spätfolgen oder Komplikationen seien nicht auszuschließen.
In der vom "Zeltlager-Team" verfassten Einladung zum Zeltlager hieß es, dass jede Menge Spaß und Spiele geboten würden, wie beispielsweise eine Nachtwanderung und ein Lagerfeuer. Teilnahmeberechtigt seien Kinder und Jugendliche der DRLG Ortsverbände N und A im Alter von 8 bis 14 Jahren.
Die Bundesgeschäftsstelle der DLRG teilte der Beklagten in Schreiben vom Juli und Dezember 2006 mit, dass sich der Unfall nicht während einer Schwimmausbildung ereignet habe. Die Pfingstfreizeit falle in den Bereich der jugendpflegerischen Maßnahmen. Sie verweise auf eine Stellungnahme des Bundesverbandes der Unfallkassen vom 21.5.1991, nach der der gesetzliche Unfallversicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 12 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) für Kinder vom vollendeten 10. Lebensjahr an bei der Teilnahme an jugendpflegerischen Tätigkeiten, die die DLRG Jugendorganisation neben den reinen Ausbildungs- und Übungsmaßnahmen durchführe, bejaht werde.
Die Beklagte entgegnete, nach der zitierten Stellungnahme sei Voraussetzung für den Versicherungsschutz, dass die Teilnahme an jugendpflegerischen Tätigkeiten neben einer Ausbildungs- oder Übungsmaßnahme der Hilfeleistungsorganisation erfolge. Kinder, die nicht an einer Rettungsschwimmerausbildung teilnähmen, seien daher bei der Teilnahme an jugendpflegerischen Tätigkeiten nicht gesetzlich unfallversichert. Entscheidend sei, ab welchem Alter das Kind bzw. der Jugendliche an einer Ausbildungs- oder Übungsmaßnahme des Hilfeleistungsunternehmens teilnehmen dürfe.
Mit Bescheid vom 8.12.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe bei der Teilnahme an dem Jugendzeltlager der DLRG N/A nicht zu den unfallversicherten Personen gehört. In der gesetzlichen Unfallversicherung seien insbesondere Personen versichert, die unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig seien oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen teilnähmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII). Die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen der DLRG sei gesetzlich unfallversichert, wenn die Veranstaltung unmittelbar der Fremdrettung diene, wie beispielsweise die Teilnahme an Erste-Hilfe-Kursen oder Rettungsschwimmerkursen. Jugendpflegerische Tätigkeiten seien lediglich dann unfallversichert, wenn sie neben reinen Ausbildungs- oder Übungsveranstaltungen der Hilfeleistungsorganisationen erfolgten. Da der Kläger nicht an einer solchen Ausbildung teilgenommen habe, bestehe auch bei der Teilnahme am Jugendzeltlager kein Unfallversicherungsschutz.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.2.2007 wies die Beklagte den dagegen eingelegten Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 7.3.2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer erhoben.
Er hat vorgetragen, das Bundessozialgericht (BSG) bejahe Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII auch dann, wenn Unfälle sich bei organisatorischen und verwaltenden Tätigkeiten, bei Übungen, Absperrungen, Dienstsport, Werbemaßnahmen und sogar bei gesellschaftlichen Veranstaltungen ereigneten. Die im ehrenamtlichen Bereich tätigen Hilfeleistungsunternehmen würden Kinder und Jugendliche in den Jugendabteilungen fördern, um Nachwuchs heranzubilden. Die Pflege des Gemeinschaftslebens im Kinder- und Jugendbereich diene der Förderung des Nachwuchses und damit ...