Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. zuständiger Unfallversicherungsträger. Anwendungsbereich der Konkurrenzregelung (§ 135 Abs 1 Nr 5 SGB 7) zum Verhältnis der Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 zu § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7 im Falle einer Hilfeleistung bei gemeiner Gefahr
Leitsatz (amtlich)
1. Der in § 135 Abs 1 Nr 5 SGB 7 postulierte Grundsatz des Vorrangs der Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 gegenüber der Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7 gilt nicht ausnahmslos.
2. Er gilt dann nicht, wenn nach Abwägung aller Beweggründe für das Handeln die Gründe, die für eine Hilfeleistung im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses angeführt werden, von so untergeordneter Bedeutung sind, dass sie gegenüber den Gründen zurücktreten, die für eine Beseitigung einer gemeinen Gefahr sprechen.
3. Mit dem Herausholen eines Warndreiecks aus dem Kofferraum eines Wagens nach einem Unfall auf einem Betriebsweg wird zwar auch eine Verpflichtung aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt, wenn ein Kollege als Beifahrer verletzt wurde. Ist der Handlungszweck jedoch deutlich vorrangig von der Vorstellung bestimmt, für andere Menschen und andere Fahrzeuge ausgehende Gefahr zu beseitigen, so tritt die Versicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 gegenüber der nach § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7 zurück.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 19.1.2005 wird zurückgewiesen.
2. Die Beigeladene trägt die außergerichtliche Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten ist streitig, wer die - von der Beklagten weiterhin bestrittenen - Folgen eines Unfalls des Klägers vom 16.6.2003 an der linken Hand zu entschädigen hat.
Der 1960 geborene Kläger befand sich am 16.6.2003 gegen 18.00 Uhr mit seinem privaten Personenkraftwagen (Pkw) unstreitig auf einem (Betriebs-) Weg zwischen einer Baustelle und der Betriebsstätte seines Arbeitgebers (Firma H H ) in R auf der linken Fahrspur der Bundesautobahn (BAB) A3 von F in Richtung K in Höhe der Ortschaft B , als der linke Hinterreifen bei einer Geschwindigkeit von etwa 150 km/h platzte. Der Pkw geriet daraufhin ins Schleudern, prallte gegen die rechte Leitplanke und blieb schließlich in Fahrtrichtung auf der rechten Standspur liegen. Ein Beifahrer des Klägers, der Praktikant M B , hatte bis zum Unfall auf dem Beifahrersitz geschlafen. Er stieß mit dem Kopf gegen die Seitenscheibe und zog sich hierbei eine Kopfprellung und eine Gehirnerschütterung zu. Der Kläger stieg aus und kümmerte sich um Herrn B , der einen benommenen und unruhigen Eindruck vermittelte. Ein nachfolgender Verkehrsteilnehmer hielt mit seinem Fahrzeug hinter dem Pkw des Klägers und kümmerte sich ebenfalls um Herrn B . Er setzte ihn in seinen Wagen und forderte einen Krankenwagen an, der Herrn B von der Unfallstelle wegbrachte. Der Zeuge S R , ein weiterer Arbeitskollege des Klägers, kam mit weiteren Begleitern an der Unfallstelle vorbei, erkannte den Wagen des Klägers, brachte sein Fahrzeug auf der Standspur zum Stehen, lief zur Unfallstelle zurück und blieb bei dem Kläger, bis dessen Fahrzeug abgeschleppt worden war. Er nahm ihn anschließend in seinem Pkw mit. Eine Erstversorgung des Klägers erfolgte nicht.
Der Unfall wurde von der Polizei-Autobahnstation Idstein aufgenommen. Verletzungen des Klägers wurden im Polizeibericht vom 17.6.2003 nicht erwähnt.
Der Durchgangsarzt Dr. H diagnostizierte am 20.6.2003 nach einer klinischen und röntgenologischen Untersuchung der Halswirbelsäule (HWS) des Klägers ein Schleudertrauma.
Im Entlassungsbericht des DRK-Krankenhauses vom 8. Juli 2003 wurde festgehalten, dass sich der Kläger am 27.6.2003 vorgestellt und angegeben habe, dass ihm “am Vortag„ ein Kofferraumdeckel auf die linke Hand geschlagen sei und den Ringfinger gequetscht habe. Klinisch sei eine "veraltete" beugeseitige Quetschverletzung erkennbar. Unter dem dringenden Verdacht einer Beugesehnenphlegmone (flächenhaft fortschreitende eitrige Entzündung des Zellgewebes) wurde der Kläger am Folgetag in die handchirurgische Abteilung des St. M S verlegt. Die Folgen einer bis in die Achselhöhle reichenden Lymphangitis (Lymphgefäßentzündung) führten schließlich dazu, dass am 4.7.2003 der linke Ringfinger im Bereich des mittleren Drittels des Grundgelenks amputiert werden musste.
Der Kläger teilte im August 2003 auf Anfrage der Beklagten mit, dass er sich die Handverletzung unmittelbar bei dem Verkehrsunfall am 16.6.2003 zugezogen habe. Er habe das Warndreieck aus dem Kofferraum herausholen wollen, als ihm der Kofferraumdeckel auf die linke Hand gefallen sei. Die Beklagte zog die Krankenhausberichte bei und befragte die behandelnden Ärzte danach, ob der Kläger nach dem Unfallereignis über eine Handverletzung geklagt habe. Dies wurde jeweils verneint.
Der...