Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Vertrag nach § 127 SGB 5 zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR sowie den Ersatzkassen. kein Vergütungsanspruch bei unterbliebener Versorgungsanzeige. Sanktionierung von Vertragsverletzungen
Orientierungssatz
Die vertraglichen Regelungen in dem auf Grundlage von § 127 SGB 5 zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR sowie den Ersatzkassen mit Wirkung vom 1.11.2013 geschlossenen Versorgungsvertrag sind dahingehend zu verstehen, dass eine Hörgeräteversorgung nicht abgerechnet werden kann, wenn vor Beginn des Anpassungsprozesses eine Versorgungsanzeige iSd § 7 Abs 2 S 3 der Anlage 1 des Versorgungsvertrages nicht vorgelegt wurde.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 05.02.2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von 1.594,- € für eine Hörgeräteversorgung.
Der Kläger ist Inhaber des Hörstudio S e.K. Am 08.04.2014 versorgte er die am 21.12.1934 geborene und bei der Beklagten versicherte C M (im Folgenden: Versicherte) mit den Hörgeräten WIDEX ME5B zu einem Gesamtpreis von 1.594,- €. Diesen Betrag forderte er bei der Beklagten mit Rechnung vom 10.04.2014 an. Nachdem die Beklagte die Rechnung zunächst am 05.06.2014 beglichen hatte, teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 26.08.2014 mit, dass nach Prüfung der Rechnung abgerechnete Leistungen im Wert von 1.594,- € nicht anerkannt werden könnten und eine Verrechnung erfolgen werde. Diese nahm die Beklagte am 29.08.2014 mit einer unstreitigen Forderung betreffend den Versicherten H M vor. Mit Schreiben vom 15.09.2014 führte die Beklagte weiter aus, dass sie, die Beklagte, die Versorgungsanzeige über die Hörgeräteversorgung für die Versicherte erst nach Abgabe des Hilfsmittels erhalten habe. Die vertraglichen Regelungen verlangten die Erstellung einer Versorgungsanzeige vor Beginn des Anpassungsprozesses (Hinweis auf § 7 Abs 2 Satz 3 der Anlage 1 zu dem Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen vom 01.11.2013 zwischen dem Verband der Ersatzkassen eV und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (im Folgenden: Versorgungsvertrag)). Die Abrechnung einer nicht genehmigten Versorgung sei nicht möglich.
Am 23.01.2017 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Koblenz erhoben. Zutreffend sei, dass der Hörgeräteakustiker grundsätzlich verpflichtet sei, vor Beginn des Anpassungsprozesses eine Versorgungsanzeige zu erstellen, was vorliegend versehentlich unterblieben sei. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, die Abrechnung einer Versorgung sei dann nicht möglich, erweise sich indes als falsch und könne insbesondere nicht auf den Vertragswortlaut gestützt werden. Bestimmungen über die Konsequenzen eines Verstoßes - wie vorliegend - gegen § 7 der Anlage 1 des Versorgungsvertrages befänden sich nicht in der Anlage zu dem Vertrag, sondern in § 13 des Versorgungsvertrages. Dessen Absatz 2 lasse sich entnehmen, dass ein Verstoß gegen die Vorgaben des Versorgungsvertrages mitnichten zwingend dazu führe, dass der Hörgeräteakustiker seinen Vergütungsanspruch verliere. Dies folge auch aus Absatz 4 der Regelung. Der Versorgungsvertrag sehe ein gestuftes System von Sanktionen vor, so dass sich die Krankenkasse zunächst einmal ihres Spielraumes bewusst sein und diesen angemessen nutzen müsse. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Die Beklagte habe nicht erläutert, warum sie sich gerade für die Maßnahme des Verlusts jeglichen Vergütungsanspruchs entschieden habe; sie habe tatsächlich überhaupt keine Auswahl getroffen. Es komme nicht einmal entscheidend darauf an, ob die Pflicht zur Vorlage einer Versorgungsanzeige eine Ordnungsvorschrift darstelle oder nicht, denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, sehe der Vertrag spezielle Sanktionen für einen Vertragsverstoß vor, nicht aber zwangsläufig den Verlust von Vergütungsansprüchen. Die Beklagte habe daher selbst den Vorgaben des Versorgungsvertrages nicht genügt. Maßgeblich sei gemäß § 6 Abs 1 des Versorgungsvertrages im Übrigen, dass das Mitglied der Krankenkasse eine ordnungsgemäße Versorgung erhalten habe, was vorliegend geschehen sei und auch von der Beklagten nicht bezweifelt werde. Schließlich zeige auch § 7 Abs 3 der Anlage 1 des Versorgungsvertrages, dass die Auffassung der Beklagten falsch sei. Hiernach hätten sich die Krankenkassen bereit erklärt, unter bestimmten Voraussetzungen auf den Zugang der Versorgungsanzeige zu verzichten, etwa wenn das Mitglied der Krankenkasse auf eine vergleichende Anpassung mit einem aufzahlungsfreien Hörgerät verzichtet habe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Versorgungsanzeige nicht im Sinne eines Antrags oder einer Genehmigung zu verstehen sei, sondern lediglich dem Zweck diene, die betreffende Krankenkasse darüber zu informieren, dass eine Hörg...