Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. ärztliches Beschäftigungsverbot nach MuSchG. keine Arbeitsunfähigkeit. verfassungskonforme Auslegung ohne Fiktion der Verfügbarkeit
Leitsatz (amtlich)
Wird bei einer Schwangeren zutreffend ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 MuSchG ausgesprochen, ohne dass sich bei ihr eine Arbeitsunfähigkeit feststellen lässt, führt dies bei einer eng am Wortlaut orientieren Auslegung des § 119 Abs 5 SGB 3 nicht dazu, dass zwingend von einem Ausschluss der Verfügbarkeit der Schwangeren auszugehen ist.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 03.08.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 22.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2009 abgeändert und die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin auch Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 22.06.2009 bis zum 14.08.2009 zu bewilligen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, einen Arbeitslosengeld(Alg)-Bewilligungsbescheid aufgrund eines ärztlich attestierten Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) mangels Verfügbarkeit der Klägerin aufzuheben.
Das Arbeitsverhältnis der 1973 geborenen Klägerin, die als Verwaltungsangestellte beim A -Bundesverband tätig gewesen war, wurde wegen des Umzugs des genannten Verbandes von B nach B mit einem Auflösungsvertrag vom 29.01.2008 unter Zahlung einer Abfindung zum 15.10.2008 beendet. Auf die Arbeitslosmeldung der Klägerin am 18.08.2008 und ihren Alg-Antrag vom 08.10.2008 gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 05.11.2008 für den Zeitraum vom 10.01.2009 bis zum 08.01.2010 Alg in kalendertäglicher Höhe von 19,87 Euro, wobei ein Ruhen des Anspruchs im Hinblick auf eine ihr gezahlte Entlassungsentschädigung (§ 143 a Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III)) berücksichtigt wurde.
Der behandelnde Gynäkologe attestierte bei der zwischenzeitlich schwanger gewordenen Klägerin am 11.05.2009 in der 21. Schwangerschaftswoche ein sofortiges Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG bis zum Beginn der Mutterschutzfrist (§ 3 Abs. 2 MuSchG) am 15.08.2009.
Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 22.05.2009 die Bewilligung des Alg ab dem 11.05.2009 wegen des Wegfalls der Verfügbarkeit der Klägerin ab diesem Datum auf und verwies insoweit auf die Vorschriften in §§ 118 Abs. 1, 119 SGB III sowie § 48 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III.
Mit einem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin unter Hinweis auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 20.08.2007 (L 9 AL 35/04, juris) geltend, dass die Beklagte als „Ersatzarbeitgeberin“ gehalten sei, ihr weiterhin Alg zu zahlen, da sie ansonsten wegen des ausgesprochenen Beschäftigungsverbots, das man nicht mit einer Krankheit gleich stellen könne und aufgrund dessen auch keine Leistungen von der Krankenkasse zu erwarten seien, ohne jegliche Lohnersatzleistungen dastehen würde.
Die Beklagte wies den erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2009 unter Hinweis auf den Wortlaut des § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III zurück. Einen Alg-Anspruch könne nur derjenige haben, der den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe. Infolge des ausgesprochenen Beschäftigungsverbots läge die erforderliche Verfügbarkeit nicht mehr vor, was die Klägerin auch gewusst habe oder zumindest grob fahrlässig nicht gewusst habe, weshalb der Alg-Anspruch ab Änderung der Verhältnisse hätte aufgehoben werden müssen.
Mit der am 02.07.2009 bei dem Sozialgericht Koblenz (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin neben der Aufhebung des angegriffenen Bescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides auch die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr über den 11.05.2009 hinaus Alg zu gewähren. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Hessischen LSG ist die Klägerin der Auffassung, dass aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots in Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) sowie des Schutzes der Mütter in Artikel 6 Abs. 4 GG eine erkennbar für schwangere Arbeitslose bestehende Regelungslücke geschlossen werden müsse. Anders als Frauen, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befänden, könnten beschäftigungslose Frauen bei Ausspruch eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG keinen Anspruch auf einen „Mutterschutzlohn“ nach § 11 MuSchG durch ihren Arbeitgeber geltend machen, obwohl sie im Hinblick darauf, dass sie sich genauso dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellten, eine vergleichbare Schutzbedürftigkeit aufweisen würden. Die tatsächlich fehlende Verfügbarkeit, die eine Weitergewährung vo...