Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Sachleistung. selbstbeschaffte Leistung. Emser Nasenspülsalz und Hippotherapie. Kostenerstattung. Freistellung von einer Verbindlichkeit gem § 13 Abs 3 S 1 SGB 5. Anspruchsausschluss. Abwarten einer Entscheidung der Krankenkasse. Emser Nasenspülsalz. nicht verschreibungspflichtiges Medikament nach § 34 Abs 1 S 1 SGB 5 aF. Ausschluss aus Arzneimittelversorgung. Vorrangigkeit des § 264 SGB 5. Zuständigkeitsklärung nach § 14 SGB 9. Eingliederungshilfe. Hippotherapie. kein anerkanntes und verordnungsfähiges Heilmittel iS des § 32 SGB 5. keine Kostenübernahme nach § 55 SGB 9
Orientierungssatz
1. Ein Kostenerstattungsanspruch gem § 15 Abs 1 S 4 SGB 9 tritt an die Stelle des erloschenen (primären) Sachleistungsanspruchs. Dabei muss zwischen den Kosten für die selbst beschaffte Leistung und der Leistungsablehnung durch den Rehabilitationsträger ein Kausalzusammenhang bestehen (§ 15 Abs 1 S 4 SGB 9 entspricht § 13 Abs 3 S 1 SGB 5, vgl BSG vom 20.5.2003 - B 1 KR 9/03 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 1).
2. Hat ein Versicherter die selbstbeschaffte Leistung noch nicht bezahlt, kann er an Stelle der Kostenerstattung die Freistellung von der gegenüber dem Leistungserbringer bestehenden Verbindlichkeit verlangen. Das in § 13 Abs 3 S 1 SGB 5 geregelte Recht auf Kostenerstattung umfasst auch den Anspruch auf Freistellung von einer Verbindlichkeit (vgl BSG vom 22.7.2004 - B 3 KR 5/03 R = SozR 4-2500 § 33 Nr 5, vom 23.1.2003 - B 3 KR 7/02 R = BSGE 90, 220 = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 und vom 9.10.2001 - B 1 KR 6/01 R = BSGE 89, 39 = SozR 3-2500 § 13 Nr 25).
3. Ein Anspruch auf Erstattung und auch auf Freistellung von Kosten ist ausgeschlossen, wenn der Versicherte vor der Inanspruchnahme der Leistung nicht die Entscheidung der Krankenkasse über deren Gewährung abgewartet hat (vgl BSG vom 20.5.2003 aaO). Der Versicherte braucht mit der Selbstbeschaffung der Leistung nicht zu warten, bis ein Widerspruchsbescheid ergeht, es genügt vielmehr, dass ein Ablehnungsbescheid ergangen ist (vgl BSG vom 25.9.2000 - B 1 KR 5/99 R = SozR 3-2500 § 13 Nr 22 und vom 23.7.2002 - B 3 KR 66/01 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 45).
4. Nicht verschreibungspflichtige Medikamente - zu denen das "Emser Nasenspülsalz" gehört - sind nach § 34 Abs 1 S 1 SGB 5 aF von der Arzneimittelversorgung ausgeschlossen. Eine Ausnahme besteht für das "Emser Nasenspülsalz" auch nicht gem § 34 Abs 1 S 2 SGB 5 aF iVm den nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5 aF erlassenen Richtlinien.
5. Die sozialhilferechtliche Krankheitshilfe nach § 38 BSHG ist gegenüber den Regelungen zur Krankenbehandlung § 264 SGB 5 nachrangig.
6. Aus der in § 14 SGB 9 getroffenen Regelung folgt, dass eine nach außen verbindliche Zuständigkeit geschaffen worden ist, gleichzeitig aber interne Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers fortbestehen (vgl BSG vom 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R = BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, vom 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R = BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 und vom 28.11.2007 - B 11a AL 29/06 R = SozR 4-3250 § 14 Nr 2). Dies bedeutet nicht, dass ein Sozialhilfeträger als zweitangegangener Leistungsträger in jedem Fall die beantragte Leistung bewilligen muss, sondern die Rechtsfolge des § 14 SGB 9 führt dazu, dass der Sozialhilfeträger nicht nur nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften, hier also ausschließlich nach SGB 12, zur Leistung verpflichtet ist. Es ist anerkannt, dass der nach § 14 SGB 9 zuständige Leistungsträger nach allen Rechtsgrundlagen prüft, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind.
7. Die Kosten einer Hippotherapie sind nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe des § 54 Abs 1 S 1 und S 2 SGB 12 übernahmefähig, weil diese Leistung zur medizinischen Rehabilitation nicht den Katalogleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht.
8. Die Hippotherapie, die nicht von ärztlichen Fachkräften, sondern als medizinische Dienstleistung von nichtärztlichen Fachkräften erbracht wird, ist kein anerkanntes und verordnungsfähiges Heilmittel iS des § 32 SGB 5. Sie ist als besondere Form der Krankengymnastik eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB 9 und kann als Heilmittel iS des § 32 SGB 5 von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten nur verordnet werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gem § 138 SGB 5 zuvor ihren therapeutischen Nutzen als neues Heilmittel anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5 Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat (vgl BSG vom 3.9.2003 - B 1 KR 34/01 R = SozR 4-2500 § 18 Nr 1).
9. Eine Kostenübernahme nach § 55 Abs 2 SGB 9, auf den § 54 Abs 1 S 1 SGB 12 verweist, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Eine Hippotherapie setzt direkt an der Behandlung der behinderungsbedingten Störung an und fällt daher nicht unter den Anwendungsbereich des § 55 SGB 9.
Nachgehend
Tenor
1. Die Ber...