Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Arbeitnehmerüberlassung. Unwirksamkeit. Beitragspflicht. nebeneinander bestehendes fehlerhaftes und fingiertes Arbeitsverhältnis. kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei fingiertem Arbeitsverhältnis ohne Arbeitsentgeltanspruch. Haftung der Entleihers nur gegenüber der für den Entleiher zuständigen Einzugsstelle
Leitsatz (amtlich)
1. Bestehen wegen Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis gem § 10 Abs 1 AÜG sowohl ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer als auch ein fingiertes Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher, sind nicht für beide Beschäftigungsverhältnisse Sozialversicherungsbeiträge zu leisten.
2. Besteht im Rahmen des fingierten Arbeitsverhältnis kein Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Arbeitsentgelt gegen den Entleiher, liegt in diesem Verhältnis keine sozialversicherungspflichtige entgeltliche Beschäftigung vor.
3. Gem § 28e Abs 2 S 4 SGB 4 haftet der Entleiher neben dem Verleiher für die Forderung der Einzugsstelle, die für den Verleiher zuständig ist; eine Verpflichtung gegenüber einer weiteren, für den Entleiher zuständigen Einzugsstelle wird hierdurch nicht begründet.
Normenkette
AÜG § 10 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2, Abs. 3 Sätze 1-2, § 1 Abs. 1 S. 1, § 9 Nr. 1; SGB IV § 28e Abs. 2 Sätze 3-4, § 3 Nr. 1, § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 1; SGB X § 12 Abs. 2 S. 2; BGB § 362 Abs. 1, § 421 S. 1, § 422 Abs. 1 S. 1, § 426 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 22.02.2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 16.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2012 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf 41.150,64 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid über die Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen wegen unwirksamer Arbeitnehmerüberlassung in Höhe von 41.150,64 Euro.
Der Kläger ist nach Übernahme des Betriebs von seinem Vater zum 01.01.1999 Inhaber der Firma R Metall- und Maschinenbau in A geworden. Bereits zuvor, ab dem Jahr 1991 oder 1992 wurden der Firma für verschiedene Verrichtungen Beschäftigte von der Firma K AG in Luxemburg überlassen. Seit 2000 erfolgte mit Unterbrechungen bis Ende Februar 2007 nur noch die Entleihe des Beigeladenen. Dieser war seit etwa 1989 bei der Firma K in Luxemburg als Schlosser beschäftigt, bezog von dort sein Gehalt auf der Basis eines Stundenlohns von 14,00 Euro und war bei der Luxemburger Sozialversicherung (centre commun de la sécurité sociale) angemeldet. Entsprechende Sozialversicherungsbeiträge wurden für den Beigeladenen von der Firma K abgeführt. Seit 2007 bezieht der Beigeladene sowohl eine deutsche als auch eine luxemburgische Rente. Die Firma des Klägers, für die der Beigeladene hauptsächlich Säge- und Zuschneidarbeiten verrichtete und von der er bei Außenmontagen eingesetzt wurde, zahlte monatlich gegen Rechnungen Überlassungsgeld an die Firma K gemäß der Arbeitszeitnachweise und auf der Basis eines Stundensatzes von 21,47 Euro. Eigenen Mitarbeitern zahlte der Kläger maximal einen Stundenlohn von 15,40 Euro.
Nach Betriebsübernahme überprüfte der Kläger nach eigenen Angaben alle bestehenden Verträge und fragte im Jahr 2000 oder 2001 bei der Firma K nach, ob diese zur Arbeitnehmerüberlassung berechtigt sei. Nachdem man ihm das dort bestätigt hatte, bezweifelte der Kläger auch künftig nicht die Berechtigung der Firma K zur Arbeitnehmerüberlassung. Tatsächlich hatte die Firma K nur für die Zeit vom 15.04.2000 bis zum 14.04.2001 die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Eine Verlängerung wurde von ihr weder beantragt, noch wurde der Kläger hierüber informiert.
Aufgrund von Ermittlungen des Finanzamts Trier stellte der Betriebsprüfdienst der Beklagen im November 2006 fest, dass die Firma des Klägers den Beigeladenen ohne Betragszahlung zur deutschen Sozialversicherung und über einen längeren Zeitraum von der der Firma K AG in Luxemburg entliehen hatte.
Im Januar 2007 wurde wegen des Verdachts der illegalen Arbeitnehmerüberlassung ein Verfahren eingeleitet, woraufhin das Hauptzollamt K, Finanzkontrolle Schwarzarbeit, am 20.03.2007 u.a. in den Firmenräumen des Klägers eine Durchsuchung durchführte. Der Kläger gab bei diesem Anlass freiwillig Rechnungen der Firma K ab dem Jahr 2000 heraus.
Das Verfahren gegen den Kläger wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung im Hinblick auf den Leiharbeitnehmer Z, den Beigeladenen, wurde eingestellt. Gemäß einem Vermerk der Staatsanwaltschaft sei es plausibel, dass dem Kläger auf dessen ausdrückliche Nachfrage im Jahr 2000 oder 2001 bestätigt worden sei, es liege eine gültige Verleiherlaubnis vor, er in der Folgezeit an deren Bestand nicht gezweifelt und daher bei der Entleihe nicht vorsätzlich ge...