Entscheidungsstichwort (Thema)

Verrechnung einer bewilligten Regelaltersrente mit einer bestandskräftig festgestellten Beitragsforderung eines anderen Leistungsträgers

 

Orientierungssatz

1. Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann nach § 52 SGB 1 mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB 1 die Aufrechnung zulässig ist. U. a. mit Beitragsansprüchen ist deren Verrechnung gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte zulässig, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig i. S. des SGB 2 oder des SGB 12 wird, vgl BSG, Beschluss vom 05. Februar 2009 - B 13 R 31/08 R.

2. Die Pfändungsfreigrenzen nach § 54 Abs. 3 bis 5 SGB 1 müssen bei der Verrechnung gemäß § 51 Abs. 2 SGB 1 nicht beachtet werden.

3. Der Leistungsberechtigte selbst hat nach § 51 Abs. 2 SGB 1 den Eintritt der Hilfebedürftigkeit i. S. des SGB 2 oder des SGB 12 nachzuweisen. Gelingt dieser Nachweis nicht, so ist der Leistungsträger berechtigt, den unterhalb der Pfändungsfreigrenze des § 850 c ZPO, aber oberhalb des Eintritts der Sozialhilfebedürftigkeit liegenden Betrag zu verrechnen.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2009.

Der am ... 1935 geborene Kläger war Inhaber einer Elektroeinzelfirma. Mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 7. Juni 2001 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet (351 IN 303/00). Die Beigeladene meldete eine Insolvenzforderung in Höhe von 26.358,13 EUR zum Insolvenzverfahren an, die von der Insolvenzverwalterin anerkannt wurde. Am 25. Juli 2001 stellte der Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Restschuldbefreiung gemäß § 287 Insolvenzordnung (InsO).

Der Kläger bezieht von der Beklagten - vormals Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt - seit dem 1. Februar 2000 Regelaltersrente (Zahlbetrag ab 1. August 2009 886,60 EUR); zudem erhält er Witwerrente in Höhe von 404,60 EUR.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2008 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung gegen die Rente des Klägers mit einer bestandskräftig festgestellten und nicht verjährten Forderung gegen den Kläger in Höhe von 37.495,13 EUR Gesamtsozialversicherungsbeiträgen gemäß § 28d Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV). Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer ausstehenden Beitragsforderung in Höhe von 23.030,71 EUR sowie aus Umlagebeträgen in Höhe von 1.018,63 EUR für die Zeit vom 22. August 2000 bis zum 6. Juni 2001, des Weiteren aus Säumniszuschlägen in Höhe von 13.313,57 EUR, Mahngebühren in Höhe von 57,57 EUR und Kosten sowie Gebühren in Höhe von 74,65 EUR, jeweils für die Zeit vom 22. August 2000 bis zum 21. Juli 2008. Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie beabsichtigte, die Forderung der Beigeladenen in Höhe von 37.495,13 EUR zuzüglich weiterer Säumniszuschläge und Zinsen mit dem Anspruch auf laufende Rentenzahlungen in Höhe der Hälfte des monatlichen Zahlbetrages, d.h. 431,54 EUR zu verrechnen. Dem Kläger werde Gelegenheit zur Äußerung und Vorlage einer Bedarfsbescheinigung des Sozialhilfeträgers oder der Agentur für Arbeit als Nachweis für die durch die Verrechnung eintretende Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II) oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) gegeben. Mit Schreiben vom 13. August und 26. August 2008 teilte der Kläger mit, die beabsichtigte Verrechnung erachte er - unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 29. Mai 2008 (IX ZB 51/07) - als nicht zulässig. Ausweislich der InsO würden nur solche Aufrechnungslagen geschützt, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestanden hätten (§ 94 InsO). Eine nach Insolvenzeröffnung erteilte Ermächtigung sei indessen anfechtbar, eine Verrechnung mithin nicht möglich. Im Übrigen ergebe sich eine fehlende Verrechnungsmöglichkeit auch aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 5 RJ 80/03 R - es hätte B 5 RJ 18/03 R heißen müssen), wonach eine Verrechnung bei laufenden Bezügen nur in einem Zeitraum von zwei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig sei (§ 114 Abs. 2 InsO); dieser Zeitraum sei jedoch abgelaufen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass alle pfändbaren Beträge bereits von der Insolvenzverwalterin eingezogen worden seien.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab 1. März 2009 werde der bestandskräftig festgestellte Anspruch der Beigeladenen in Höhe von 37.495,13 EUR (Stand: 21. Juli 2008) zuzüglich weiterer Säumniszuschläge/Zinsen mit der Altersrent...

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