Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Verrechnung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen mit einer Altersrente. Pfändungsgrenzen. Insolvenzverfahren
Leitsatz (amtlich)
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll nicht nur dann, wenn die Einzelzwangsvollstreckung und damit die Pfändung ausgeschlossen ist, im Interesse der Versichertengemeinschaft eine Aufrechnung noch möglich sein. Auch wenn neben der Einzel- die Gesamtvollstreckung ausgeschlossen ist, soll die Möglichkeit der Aufrechnung weiterhin gegeben sein.
Orientierungssatz
Auch aufgelaufene Säumniszuschläge können bei der Geltendmachung von Beitragsansprüchen iS des § 51 Abs 2 SGB 1 berücksichtigt werden. Diese sind als Nebenforderung Teil der Beitragsforderung.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2011, mit dem diese die Verrechnung einer Forderung der Barmer GEK gegen den Rentenanspruch des Antragstellers verfügt hat.
Der am ... 1946 geborene Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin am 16. November 2010 die Gewährung der Regelaltersrente. Mit Bescheid vom 16. Februar 2011 bewilligte die Antragsgegnerin einer Altersrente in Höhe von 651,06 EUR (Zahlbetrag) ab 1. März 2011.
Bei der Antragsgegnerin gingen bereits in den Jahren 1999 und 2000 mehrere Verrechnungsersuchen nach § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) ein. So machte insbesondere die Rechtsvorgängerin der Barmer GEK, die Barmer Ersatzkasse, am 10. September 1999 eine Forderung von 32.356,96 DM einschließlich Säumniszuschlägen geltend. Die Forderung resultierte aus rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen bzw. Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz des durch den Antragsteller betriebenen Bestattungsinstituts. Dieses Schreiben wurde durch die Barmer GEK nochmals am 5. Februar 2009 bei der Antragsgegnerin vorgelegt. Am 4. Januar 2011 beantragte die Barmer GEK erneut die Verrechnung bestehender Beitragsforderungen für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. August 1998. Dabei wurde ein Betrag von insgesamt 33.651,33 EUR mitgeteilt, in dem 20.621,20 EUR Säumniszuschläge (bis zum 28. Dezember 2010) enthalten waren. Am 10. März 2011 legte die Barmer GEK der Antragsgegnerin weitere Unterlagen hinsichtlich ihrer Forderung und den bisher erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen einschließlich des Beitragsbescheides vom 12. Juli 2007 vor.
Mit Schreiben vom 28. März 2011 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Verrechnung gemäß § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I an. Es liege ein Verrechnungsersuchen der Barmer GEK vor; es sei beabsichtigt monatlich 325,53 EUR zur Verrechnung einzubehalten. Dieser Betrag errechne sich aus der Hälfte der zuerkannten Altersrente nach Abzug der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Soweit der Antragsteller durch die Verrechnung hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden sollte, sei eine Bedarfsbescheinigung des zuständigen Hilfeträgers vorzulegen.
Der Antragsteller reichte am 21. April 2011 eine Bedarfsbescheinigung des Amtes für Soziales und Integration der Stadt D.-R. vom 15. April 2011 ein. Hieraus ergab sich, dass der Antragsteller über ein monatliches Einkommen von 133,56 EUR über dem Bedarf, bestehend aus Regelsatz und Kosten der Unterkunft und Heizung, verfüge.
Die Antragsgegnerin teilte der Barmer GEK mit Schreiben vom 4. Mai 2011 mit, dass ab 1. Mai 2011 ein Betrag von 133,56 EUR auf Grundlage des Verrechnungsersuchens überwiesen werde. Mit Bescheid vom 9. Mai 2011 verrechnete die Antragsgegnerin ab 1. Mai 2011 gegenüber dem Antragsteller einen Betrag von 133,56 EUR der monatlichen Rente. Dieser Betrag werde einbehalten und an die Barmer GEK gezahlt. Die Antragsgegnerin berücksichtigte dabei, dass die Barmer GEK ihr Ersuchen bereits am 10. September 1999 und damit vor der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland gestellt hatte.
Der Antragsteller legte am 20. Mai 2011 Widerspruch gegen die Einbehaltung seiner Rente ein. Die zur Verrechnung gestellte Beitragsforderung belaufe sich auf 13.400 EUR. Säumniszuschläge seien von der Verrechnungsermächtigung nicht erfasst. Mit Schreiben vom 14. Juni 2011 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass von dem Einbehalt aufgrund des eingelegten Widerspruchs zunächst abgesehen werde. Bereits einbehaltene Beträge für die Monate Mai bis Juli 2011 wurden an den Antragsteller nachgezahlt. Dieser legte am 6. Juli 2011 eine neue Bedarfsberechnung des Amtes für Soziales und Integration der Stadt D.-R. vom 7. Juni 2011 vor. Hieraus ergab sich ein...