Rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderungsfähige Ausbildung. besonderer Härtefall. Anspruchsausschluss. Ermessensreduzierung. Studienwechsler. Darlehen. Ersatzfinanzierung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Studierender, der nach einem Studienwechsel keine Leistungen mehr nach dem BAföG erhält, ist grundsätzlich von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen.
2. Ein besonderer Härtefall gem. § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II kann darin liegen, dass er sich bereits zur Abschlussprüfung angemeldet und seine Diplomarbeit begonnen hat.
3. Bei Vorliegen eines besonderen Härtefalles verbleibt dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig kein Ermessensspielraum, ob er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Wege eines Darlehens gewährt.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 5; BAföG § 7 Abs. 3, § 17 Abs. 3; WoGG § 41 Abs. 3; SGG § 86b
Verfahrensgang
SG Dessau (Beschluss vom 17.03.2005; Aktenzeichen S 9 AS 57/05 ER) |
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 17. März 2005 wird aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin verurteilt, dem Beschwerdeführer ab dem 1. März 2005 im Wege eines Darlehens Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 331,00 EUR vorläufig bis zu einer endgültigen Entscheidung zu gewähren. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers zu drei Viertel.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Der am … 1976 geborene ledige Beschwerdeführer ist seit Oktober 1999 Student der Politikwissenschaft an der Universität L.. Im Oktober 1997 hatte er zunächst ein Diplomstudium der Ökonomie aufgenommen, welches er 1999 aus gesundheitlichen Gründen abbrach, ohne dass dies vom Studentenwerk als unabweisbarer Grund anerkannt wurde. Bis Ende 2004 erhielt er ein Stipendium der von-Arnim'schen-Familienstifung in Form eines teilrückzahlbaren Darlehens. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bezieht er nicht. Am 8. November 2004 stellte er einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). In dem Antrag gab der Beschwerdeführer an, dass er mietfrei bei seinen Eltern wohne, über Einkommen nicht verfüge und für die Fahrt zum Studienort monatlich 169,20 EUR aufwende (12 Fahrten zu 14,10 EUR).
Mit Bescheid vom 25. November 2004 lehnte die Beschwerdegegnerin den Leistungsantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Ausbildung des Antragstellers im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei und daher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausschieden. Hiergegen legte der Beschwerdeführer am 3. Dezember 2004 Widerspruch ein. Er erhalte keine Leistungen nach dem BAföG, da er hierauf keinen Anspruch nach dem Studienwechsel habe. Seine Eltern, die ihn bisher finanziell unterstützten, könnten dies ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr leisten, da sie nun Arbeitslosengeld II – Empfänger seien. Er arbeite zur Zeit an seiner Diplomarbeit und sehe sich nun gezwungen, kurz vor Beendigung das Studium abzubrechen, um als ungelernte Arbeitskraft seinen Lebensunterhalt zu sichern. Da er aus gesundheitlichen Gründen nicht jeden Beruf ausüben dürfe, werde er zukünftig als langfristiger Leistungsempfänger statt als Leistungsträger der Gesellschaft erhalten bleiben. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2004 legte er den Bescheid des Studentenwerks L. vom 16. Juni 2000 über die Ablehnung von Leistungen nach dem BAföG vor und bat, den Vorgang noch einmal zu überprüfen. Zur Begründung des ablehnenden Bescheides führte das Studentenwerk aus, dass bei einem Abbruch oder Wechsel nach Beginn des 4. Fachsemesters eine Ausbildungsforderung nur noch erfolge, wenn unabweisbare Gründe für den Abbruch oder den Wechsel bestanden hätten. Die Universität L. bescheinigte dem Beschwerdeführer am 27. Januar 2005, dass er sich am 13. Mai 2004 zur Abschlussprüfung im Diplomstudiengang Politikwissenschaft angemeldet habe und bei ordnungsgemäßen Verlauf des Abschlussverfahrens sein Studium bis Ende September 2005 abschließen werde. Mit Bescheid vom 14. Februar 2005 lehnte die Beschwerdegegnerin nach nochmaliger Überprüfung ihres Bescheides die Gewährung von Leistungen ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid nicht zu beanstanden sei, da das Recht weder unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Das Studium des Beschwerdeführers sei grundsätzlich nach dem BAföG förderungsfähig. Die Ausnahmevorschrift nach § 7 Abs. 6 SGB II werde nicht wirksam. Leistungen nach dem SGB II seien nicht zu gewähren. Es bestünde die Möglichkeit, einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) zu stellen. Am 8. März 2005 erhob der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers vorsorglich Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Februar 2005 und v...