Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts. Mehrkosten. Erstattungsfähigkeit bei Erforderlichkeit eines sog Verkehrsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

Gemäß § 121 Abs 3 ZPO kommt seit dem 1.6.2007 eine Beiordnung eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwaltes grundsätzlich nur in Betracht, wenn dadurch weitere Kosten, insbesondere in Form von Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgeldern, nicht entstehen. Daneben ist bei der Beiordnung eines nicht bei dem Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts zu prüfen, ob besondere Umstände die Beiordnung eines zusätzlichen sog Verkehrsanwalts iS von § 121 Abs 4 ZPO erfordern. Soweit durch die Beiordnung des auswärtigen Rechtsanwalts die Kosten eines Verkehrsanwalts gespart werden, sind die Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts erstattungsfähig. Bei der Prüfung des § 121 Abs 4 ZPO ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Partei abzustellen.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Prozessbevollmächtigte des nach seinen Angaben im Niger geborenen Klägers legte im August 2012 Widerspruch gegen die Leistungsbewilligung für Juli 2012 und alle noch nicht bestandskräftig gewordenen Bescheide des Beklagten ein. Am 3. Juli 2014 hat er beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage gegen die Bescheide vom 1. März 2011 und 23. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2014 mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verpflichten, ihm im Zeitraum vom 1. April bis zum 14. November 2011 sowie vom 16. März bis zum 31. Juli 2012 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in gesetzlicher Höhe bewilligen. Gleichzeitig hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung beantragt. Nach der Verweisung des Rechtsstreits an das SG D.-R. ist dem Kläger mit Beschluss vom 18. Februar 2015 PKH ohne Ratenzahlungsverpflichtung dem Grunde nach gewährt und sein Prozessbevollmächtigter zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des SG D.-R. ansässigen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung seiner Interessen beigeordnet worden. Dem Beschluss war die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, der Beschluss sei für die Beteiligten unanfechtbar.

Gegen den ihm am 26. Februar 2015 zugestellten Beschluss hat nur der Kläger am 26. März 2015 Beschwerde beim SG D.-R. eingelegt, die am 8. April 2015 an das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt weitergeleitet worden ist. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, er sei durch den angefochtenen Beschluss beschwert, soweit darin die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt sei. Der vorliegende Streitfall weise enge Verknüpfungen mit seiner asyl- und aufenthaltsrechtlichen Lage und den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes auf. Er - der Kläger - sei im Zeitpunkt der Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten bereits von dessen Kollegen in der Bürogemeinschaft in seinen aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten vertreten worden. Es habe daher nahe gelegen, seinen Prozessbevollmächtigten in dieser Angelegenheit zu beauftragen, da der notwendige kollegiale Austausch erheblich vereinfacht sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es in dem Gebiet des Flüchtlingssozialrechts schwer sei, spezialisierte Rechtsanwälte zu finden und ihm - dem Kläger - in dem ihm von der Ausländerbehörde zugewiesenen Bereich seiner räumlichen Beschränkung kein Rechtsanwalt bekannt oder empfohlen worden sei, den er mit seiner Vertretung hätte beauftragen können.

Der Beschwerdegegner hält die Beschwerde für unbegründet. Er könne keinen Grund für eine Erweiterung der Beiordnung erkennen. Es gebe am Gerichtsort des SG D.-R. zwei Fachanwälte, die der Kläger hätte beauftragen können. Weitere besondere Umstände seien objektiv nicht erkennbar.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Frist des § 173 Satz 1 SGG eingelegt worden und nicht durch § 172 Abs. 3 Nr. 2 a) SGG in der ab dem 25. Oktober 2013 geltenden Fassung ausgeschlossen. Denn das SG D.-R. hat nicht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, sondern PKH ohne Festsetzung von Raten bewilligt. Die gegen die beschränkte Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das SG D.-R. eingelegte Beschwerde ist damit zulässig (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar,11. Auflage 2014, § 73a Rdnr. 12b; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Juni 2011 - L 8 AY 1/11 B -; Beschluss vom 29. April 2009 - L 5 B 393/08 AS -; Hessisches LSG, Beschluss vom 24. März 2011 - L 1 KR 74/11 B -, LSG B.-B., Beschluss vom 31. März 2010 - L 19 AS 284/10 B PKH -, Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. Februar 2010 - L 8 B 195/09 R PKH -; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. Dezember 2008 - 4 So 75/08 -, alle juris...

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