Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Verhängung von Ordnungsgeld nach § 141 Abs 3 ZPO. fehlerhafte Ermessensausübung. Gesetzeszweck. Aufklärung des Sachverhalts. keine Ahndung der vermeintlichen Missachtung des Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Bleibt ein Beteiligter nach Anordnung des persönlichen Erscheinens unentschuldigt im Termin aus, ist die Festsetzung von Ordnungsgeld ermessensfehlerhaft, wenn sein Nichterscheinen nicht zu einer Erschwerung oder Verzögerung der Sachverhaltsaufklärung geführt hat.

 

Tenor

Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Dezember 2012 wird aufgehoben.

Die Landeskasse hat den Beschwerdeführern ihre außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Kläger zu 1 und 2 wenden sich als Beschwerdeführer gegen die Festsetzung eines Ordnungsgelds iHv jeweils 150 EUR in einem Klageverfahren, in dem die Aufhebung der Bewilligung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2008 streitig war.

Der Beschwerdeführer sind verheiratet und bezogen gemeinsam mit den damals in ihrem Haushalt lebenden Kindern als Bedarfsgemeinschaft ergänzende Leistungen nach dem SGB II. Der Beschwerdeführer erzielte ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Die Beschwerdeführerin erhielt zudem einen Zuschlag nach § 24 SGB II. Mit dem streitigen Bescheid vom 18. März 2008 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Monat November 2007 vollständig sowie für die Monate Dezember 2007 und Januar 2008 teilweise auf und forderte die Erstattung des überzahlten Betrags. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhoben die Beschwerdeführer Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG).

Einen ersten, für den 10. November 2011 anberaumten Erörterungstermin hob das SG auf, nachdem der Beschwerdeführer schriftlich erklärt hatte, er sei dienstlich verhindert, und angeboten hatte, Fragen schriftlich zu beantworten. Auf eine erneute Ladung zum Termin am 21. Juni 2012 teilte der Beschwerdeführer schriftlich mit, er befinde sich im Juni 2012 bei einer Reha-Maßnahme in F. Daraufhin bat das SG um Übersendung eines Nachweises für die Verhinderung¸ ggf. werde das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin angeordnet. Nachdem sich die Beschwerdeführer bis zum Termin nicht geäußert hatten, hob das SG den Termin auf. Schriftlich wies das SG den Beklagten darauf hin, der angegriffene Bescheid sei unzureichend begründet; die Berechnung sei nicht nachvollziehbar.

Für den 30. August 2012 beraumte das SG einen erneuten Erörterungstermin und ordnete das persönliche Erscheinen beider Beschwerdeführer an. Ausweislich der Postzustellungsurkunden wurden die Ladungen am 1. August 2012 durch Übergabe an die Beschwerdeführerin zugestellt. Unter dem 28. August 2012 erließ der Beklagte zwei Ersetzungsbescheide zu den streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden. Zum Erörterungstermin erschienen die Beschwerdeführer nicht. Mit Schreiben vom 10. September 2012 forderte das SG die Beschwerdeführer auf, schriftlich darzulegen und nachzuweisen, weshalb sie zum Termin nicht erschienen seien. Soweit kein hinreichender Grund bestehe, könne gegen sie ein Ordnungsgeld verhängt werden. Diese führten unter dem 22. September 2012 aus, sie hätten keine Ladung erhalten. Es sei keine Zustellung erfolgt. Es habe auch kein Familienmitglied Briefe vom SG dem Briefkasten entnommen.

Das SG beraumte einen Verhandlungstermin im November 2012 an, den es am 12. November 2012 wegen Erkrankung der Vorsitzenden auf den 6. Dezember 2012 verlegte. Ausweislich der postdienstlichen Vermerke in den Postzustellungsurkunden wurden die Ladungen durch Übergabe an die Beschwerdeführerin und die Mitteilungen über die Terminsänderung durch Einlegen in den Wohnungsbriefkasten zugestellt. Mit Schreiben vom 30. November 2012, das bei dem SG am 3. Dezember 2012 einging, führten die Beschwerdeführer aus, sie seien am Terminstag verhindert. Die Beschwerdeführerin habe einen langfristig vereinbarten Termin beim Augenarzt, der nicht kurzfristig geändert werden könne. Der Beschwerdeführer sei seit kurzem wieder voll berufstätig - in der Zeit von 6.30 bis 15.00 Uhr. Unter dem 4. Dezember 2012 teilte das SG den Beschwerdeführern mit, der Termin und die Anordnung des persönlichen Erscheinens würden nicht aufgehoben, da die vorgebrachten Gründe dies nicht rechtfertigten.

Zur mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2012 erschienen die Beschwerdeführer nicht. Im Termin gab der Beklagte mehrere Teilanerkenntnisse ab. Nach Beratung erließ die Kammer einen Beschluss über die Verhängung eines Ordnungsgelds iHv je 150 EUR gegen die beiden Beschwerdeführer und ein Urteil in der Sache (Klageabweisung).

In der schriftlichen Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses hat das SG ausgeführt, die Beschwerdeführer seien ohne triftigen Grund zum Termin nicht erschienen. Die am 3. Dezember 2012 mitgeteilten Gründe reichten nicht aus. ...

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