Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung des Arbeitslosengeld II. Meldeversäumnis. keine Sanktionierung über § 66 iVm § 62 SGB 1. keine Umdeutung. Geltung der Mitwirkungspflichten der §§ 60ff SGB 1
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verletzung einer in § 59 SGB 2 iVm § 309 SGB 3 ausdrücklich normierten Mitwirkungspflicht erlaubt die Anwendung der in § 31 Abs 2 SGB 2 vorgesehenen Sanktionen. Ein Rückgriff auf die subsidiären Regelungen der §§ 62, 66 SGB 1 ist unzulässig, da das SGB 2 insoweit ein geschlossenes Regelungsgefüge enthält.
2. Die Umdeutung eines Leistungsentziehungsbescheids nach § 66 SGB 1 in einen Sanktionsbescheid nach § 31 SGB 2 kommt wegen des unterschiedlichen Charakters der Regelungen nicht in Betracht.
Orientierungssatz
Die in §§ 60 bis 67 SGB 1 niedergelegten Mitwirkungspflichten bleiben (ergänzend) anwendbar, solange und soweit die Regelungen über die besonderen Mitwirkungspflichten dies nicht ausschließen, also den Lebenssachverhalt nicht ausdrücklich oder stillschweigend abweichend und/oder abschließend regeln (vgl BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R).
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. August 2008 wird aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 8. Februar 2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2008 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin wird darüber hinaus im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - die einbehaltenen Leistungen auf der Grundlage des Bescheides vom 15. Januar 2008 für die Zeit vom 19. Februar bis 13. Mai 2008 an den Antragsteller auszuzahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab 5. Februar 2008.
Der am x. September 19xx geborene Antragsteller bezieht seit 1. Januar 2005 fortlaufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II von der Antragsgegnerin. Dem Erstantrag hatte der Antragsteller ein „Ärztliches Gutachten für die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung“ (§ 21 Abs. 5 SGB II) beigefügt, nach dem er an einem toxischen Leber- und Nierenschaden nach chronischem Alkoholabusus leide und deswegen für die Dauer von zwölf Monaten eine eiweißreduzierte Kost benötige. In der Folgezeit hatte er keine ärztlichen Bescheinigungen mehr vorgelegt. Der Antragsteller bewohnt ein 95 qm großes Haus, dessen Eigentümer er seit 2004 ist. Der Kaufpreis betrug ausweislich des Bescheids über die Grunderwerbsteuer des Finanzamtes Dessau vom 14. Juni 2004 3.000 €. Der Antragsteller hat folgende monatliche Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft nachgewiesen: 20,00 € Schuldzinsen, 10,93 € Müllgebühren und 2,26 € Grundsteuer.
Seit Oktober 2007 hatte die Antragsgegnerin versucht, die Frage der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers durch eine psychologische Begutachtung zu klären. Bereits mit Bescheid vom 25. September 2007 hatte sie dem Antragsteller die Leistungen ab 1. Oktober 2007 entzogen, da er an einer Maßnahme der Eignungsfeststellung nicht teilgenommen hatte. Der Antragsteller hatte zudem einen von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Oktober 2007 bestimmten Termin zur psychologischen Begutachtung am 19. Oktober 2007 nicht wahrgenommen. Ab 1. Dezember 2007 hatte die Antragstellerin die Zahlung an den Antragsteller eingestellt. Der Antragsteller hatte am 3. Dezember 2007 angefragt, warum die Zahlung für Dezember 2007 bisher nicht erfolgt sei. Die Antragstellerin hatte ihm unter dem 4. Dezember 2007 mitgeteilt, die Auszahlung für November 2007 hätte bereits nicht mehr erfolgen dürfen, da er im Schreiben vom 2. Oktober 2007 darüber belehrt worden sei, dass sie (die Antragsgegnerin) die Leistungen ganz entziehen werde, wenn er den Termin zur psychologischen Untersuchung nicht wahrnehme.
Unter dem 13. Dezember 2007 lud die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einem persönlichen Gespräch am 19. Dezember 2007 ein, um mit ihm über seine berufliche Situation zu sprechen. In diesem erläuterte sie ihm, dass zur Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit und seiner konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten eine psychologische Begutachtung erforderlich sei. Der Antragsteller erklärte seine Bereitschaft zur Mitwirkung und bat um eine Einladung nach Magdeburg. Es wurde ein Termin am 4. Februar 2008 vereinbart. Am gleichen Tag schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, in der sich der Antragsteller u.a. verpflichtete, zur Mitwirkung bei der Feststellung der Erwerbsfähigkeit/Eignung für den Ersten Arbeitsmarkt am 4. Februar 2008 in der Agentur Magdeburg an einer psychologischen Begutachtung teilzunehmen. In der beiliegenden Rechtsfolgenbelehrung heißt es u....