Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines Rechtsanwalts. Vergütung von Reisekosten
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen des Prozesskostenhilferechts ist ein Rechtsanwalt, der seinen Sitz im Bezirk des Sozialgerichts hat, aber außerhalb der politischen Gemeinde, zu der das Sozialgericht gehört, ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen.
2. Ob Reisekosten zu vergüten sind, kann trotz der bedingungslosen Beiordnung im Einzelfall geprüft werden.
3. Die Fahrt zum Gerichtstermin wird wegen des stark vom Mündlichkeitsprinzips geprägten sozialgerichtlichen Verfahrens regelmäßig sachdienlich sein.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 23. Mai 2005 wird abgeändert.
Dem Kläger wird Rechtsanwalt H.-J. B. aus B. zur Wahrnehmung seiner Interessen ohne die Beschränkung auf die Bedingungen eines in Dessau ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich im Ausgangsverfahren gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten. Auf seinen Antrag bewilligte ihm das Sozialgericht Dessau mit Beschluss vom 23. Mai 2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus B. zu den Bedingungen eines in Dessau ansässigen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung seiner Interessen.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 10. Juni 2005 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer berechtigt sei, einen Rechtsanwalt seines Vertrauens mit Sitz im Landkreis B. beizuziehen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 21. Juni 2005 nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beschwerdeführer trägt vor, einer im Landkreis B. wohnenden Partei müsse es erlaubt sein, einen Anwalt in der Nähe ihres Wohnsitzes zu beauftragen. Andernfalls würden Rechtsanwälte, die nicht am Sitz des Gerichts ihre Kanzlei betrieben, benachteiligt. Die Fahrtkosten könnten die Erlöse aus der anwaltlichen Tätigkeit übersteigen. Es sei auch sinnvoll, dass der im Landkreis des Beschwerdeführers wohnende Prozessbevollmächtigte persönlich zum Termin erscheine und nicht einen in Dessau ansässigen Prozessbevollmächtigten als Korrespondenzanwalt beauftrage. Der Sachbearbeiter sei regelmäßig intensiver in den Fall eingearbeitet, als dies der am Gerichtsort ansässige Terminsbevollmächtigte sein werde. Bei Gewährung der Fahrtkosten könne der Prozess effektiver und zielführender verhandelt werden, was wiederum der Entlastung der Gerichte diene.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 23. Mai 2005 abzuändern und Rechtsanwalt B. ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines in Dessau ansässigen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung seiner Interessen beizuordnen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist darauf, dass die Reisekosten eines beigeordneten Rechtsanwalts nur zu vergüten seien, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich seien. Hierbei sei weiterhin der allgemeine Kostengrundsatz möglichst niedriger Auslagen zu beachten, denn es könne kein Unterschied bestehen zwischen der Kostenpflicht der Landeskasse und der Kostenpflicht einer unterliegenden Partei. Im Einzelfall könne der als ortsansässig beigeordnete Anwalt vorab feststellen lassen, dass eine bestimmte Reise zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich sei, um damit einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten zu erwirken.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte des Sozialgerichts Dessau und die Beschwerdeakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 23. Mai 2005 ist zulässig. Nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidung des Sozialgerichts die Beschwerde an das Landessozialgericht statt. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde form- und fristgerecht im Sinne des § 173 Abs. 1 SGG erhoben. Das Sozialgericht hat ihr nicht abgeholfen (vgl. § 174 SGG). Die Beschwerde ist begründet. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzung hat das Sozialgericht bejaht und deshalb die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt. Die grundsätzliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist hier nicht streitig.
Der Beschluss des Sozialgerichts ist lediglich insoweit abzuändern, als dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt B. in B. unter der Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet worden ist.
§ 121 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Auf die Sozialgerichtsbarkeit ist diese Bestimmung nicht unmittelbar...