Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einstiegsgeld. Weitergewährung nach Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages. keine Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. keine Ermessensreduzierung auf Null
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gewährung eines Einstiegsgelds nach § 16b SGB 2 setzt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit voraus. § 16b SGB 2 ist keine Rechtsgrundlage für eine erneute Förderung nach Zeitablauf einer befristeten Förderung bei gleichbleibenden Verhältnissen, auch wenn grundsätzlich eine längere Förderung möglich gewesen wäre.
2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist - außer in den Fällen einer Ermessensreduzierung auf Null - der Ermessensspielraum der Behörde zu beachten. Eine Verpflichtung zur Leistung kommt daher regelmäßig nicht in Betracht.
Tenor
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Juni 2011 werden zurückgewiesen.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Antragstellerin und Beschwerdeführerin auf Einstiegsgeld nach § 16b Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Sinne einer Weitergewährung ab dem 18. April 2011.
Die Antragstellerin ist 1966 geboren. Sie bezieht mindestens seit Januar 2010 bis heute als Bedarfsgemeinschaft mit ihren zwei Kindern Regelleistungen nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Am 9. Januar 2010 nahm sie eine bis zum 8. Januar 2011 befristete Tätigkeit als Mitarbeiterin in einem Servicecenter auf. Das monatliches Bruttogehalt betrug 975,00 EUR bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von "mindestens" 30 Stunden. Hierfür beantragte die Antragstellerin am 19. Januar 2010 die Gewährung von Einstiegsgeld. Mit Bescheid vom 1. Februar 2010 bewilligte der Antragsgegner Einstiegsgeld in Höhe von 179,50 EUR monatlich bis zum 8. Juli 2010.
Zum 1. Juli 2010 erhöhten sich die Arbeitszeit der Antragstellerin auf 35 Stunden/Woche und ihr monatliches Bruttoentgelt auf 1.137,50 EUR. Unter Berücksichtigung des erhöhten Gehaltes bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Bescheid vom 10. August 2010 bis zum 8. Januar 2011 ein Einstiegsgeld in Höhe von 161,55 EUR/Monat.
Im Dezember 2010 wurde das befristete Arbeitsverhältnis der Antragstellerin bis zum 8. Januar 2012 verlängert. Daraufhin stellte sie am 9. Dezember 2010 erneut einen Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld für die Zeit bis zum 8. Januar 2012. Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 ab und führte aus, die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt sei hier bereits nachhaltig erfolgt, da das Arbeitsverhältnis verlängert worden sei. Das Ziel, die Hilfebedürftigkeit mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit zu überwinden, sei mit einer weiteren Förderung nicht erreichbar. Die Antragstellerin erhalte weiterhin Arbeitslosengeld II als ergänzende Leistung.
Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und führte aus, ihre berufliche und finanzielle Situation habe sich nicht geändert. Das Einstiegsgeld könne bis zu 24 Monate gewährt werden, soweit auch für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2011 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück und führte zur Begründung weiter aus, die Gewährung von Einstiegsgeld stehe im Ermessen des zuständigen Leistungsträgers. Bei der Entscheidung über den Verlängerungsantrag sei Ermessen ausgeübt worden. Neben der persönlichen Situation der Antragstellerin sei die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Erwerbstätigkeit am Wohnort in Magdeburg ausgeübt werde. Soweit Wohn- und Arbeitsort weniger als 30 km voneinander entfernt lägen, sei die Dauer der Förderung auf 12 Monate beschränkt. Für diesen Zeitraum sei bereits Einstiegsgeld gewährt worden. Hiergegen erhob die Antragstellerin eine bis heute bei dem Sozialgericht Magdeburg anhängige Klage.
Am 18. April 2011 hat sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Zahlung von Einstiegsgeld verlangt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Ermessen des Antragsgegners sei auf Null reduziert. Die Bewilligungsvoraussetzungen hätten sich nicht geändert. Von einer Nachhaltigkeit der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt könne angesichts der Befristung des Arbeitsvertrages nicht gesprochen werden. Nach dem gesetzgeberischen Willen solle ein finanzieller Anreiz für Hilfebedürftigen geschaffen werden, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, selbst wenn das Arbeitsentgelt nicht bedarfsdeckend sei (vgl. Bundestagsdrucksache [BT-Drs.] 15/1516, S. 59). Das Einstiegsgeld führe zu keiner direkten Lohnsubventionierung, weil die Leistung direkt an den Hilfebedürftigen und nicht an den Arbeitgeber fließe. Die Hilfebedürftigkeit müsse nicht vollständig überwunden werden. Durch das Einstiegsgeld würden auch die tatsächlichen Chancen auf eine dauerhafte Eingliederung in den ersten Arbei...